Vincent Cameron
Name: Vincent Cameron
Garouname: Black-fire-burns
Geschlecht: männlich
Brut: Homid
Vorzeichen: Ragabash
Stamm: Schattenlords
Rang: Cliath
Rudel:
Rudelrang: Mitglied
Septenamt: -
Alter: 19 (09.04.1986)
Erscheinung:
Vincent ist eigentlich von durchschnittlicher Statur, nicht unbedingt groß,
ungefähr 1.75 m, schlank aber nicht dürr, muskulös aber kein Muskelprotz. Er
macht Sport um sich fit zu halten, geht Joggen, Rad fahren und macht
Hanteltraining, ansonsten liegen seine Stärken eher im geistlichen als im
körperlichen.
Er sieht überdurchschnittlich (liegt selbstverständlich im Auge des Betrachters)
gut aus und hat kombiniert mit seiner charmanten Art selten oder keine Probleme,
zumindest bei Frauen das zu erreichen, was er will.
Kleidungsmäßig trägt er in der Öffentlichkeit mehr oder minder spießig wirkende
Anzüge, des öfteren ohne Krawatte und Turnschuhe unter der Hose. In
"Freizeitkleidung" trifft man ihn nur beim Joggen, ansonsten äußerst selten und
nur privat. Er legt wert auf ein gepflegtes und seriös wirkendes Äußeres.
In Crinos/ Hispo/ Lupus: In Lupus ist Vincent eher drahtig als stämmig,
sein schwarzes Fell glänzt gepflegt und er behält des weiteren seine grünen
Augen, was ihn von anderen Wölfen unterscheidet.
Charakter: Vincent ist der verlorene Junge, der zu
schnell erwachsen geworden ist, schon allein die Tatsache, dass er bereits mit 8
Jahren zu schießen und zu lernen begonnen hat, zeigt, dass er keine wirkliche
Jugend hatte. Vincent beschäftigte sich schon im frühsten Alter mit allem, was
zwischen zwei Menschen oder Garou steht, er machte sich stets Gedanken darüber,
wie er seine Worte wählen könnte um das zu erreichen, was er wollte, was andere
mit ihren Worten und Texten eigentlich ausdrücken wollen. Er interessiert sich
sehr stark für Sprache und Literatur, kann aufgrund dessen auch zwei
Fremdsprachen fließend sprechen, Französisch und Englisch, letztere sogar ohne
Akzent, da sein Vater Amerikaner war und ihn bis zu seinem 5. Lebensjahr
zweisprachig erzogen hat.
Vincent hat nichts so gerne wie seine Ruhe. Er liebt es Abends bei einem
Gläschen Wein in seinem Apartment zu sitzen und zu lesen, diese Abendgestaltung
ist wie eine Zeremonie für ihn; er reagiert auf Störung derselben wirklich
ungehalten.
Auf den ersten Blick hin wirkt er wie ein offenherziger und warmer Mensch, der
nur das beste für seine Mitmenschen will und auch auf den zweiten Blick würden
die wenigsten erkennen, dass er nichts sagt oder tut, ohne Hintergedanken zu
haben, ohne einen Vorteil für sich zu wittern. Er hört sich die Probleme andere
an, jedoch nur um diese Garou so unter seine Kontrolle zu bringen und von ihm
abhängig zu machen, auch, um an ihnen zu „forschen“ und seinen Kenntnisstand
über die Psyche eines Lebewesens zu erweitern. Er will ganz genau wissen, wo er
den Meißel ansetzen kann um andere dazu zu bringen, das zu tun, was er möchte.
Vincent scheint hilfsbereit, doch er hilft nur sich selbst, ein weiterer
wichtiger Aspekt ist der, dass er niemandem Vertrauen entgegen bringt, nicht
einmal Viktor besitzt es voll und ganz. Vincent hält sich stets eine Hintertür
offen, falls ihm sein Mentor doch irgendwann in den Rücken fallen würde.
Er ist ein Einzelkämpfer und begibt sich nur so lange in die Gesellschaft
anderer Garou, wie diese ihm einen Nutzen einbringt; da er nach Macht lechzt und
es sich zum Ziel gemacht hat, eines Tages Kontrolle zu erlangen, erträgt er die
Gegenwart anderer, über die er eines Tages herrschen will.
Wichtig ist, dass von diesen Absichten wirklich kein Mensch auf der ganzen Welt
etwas weiß, denn er hält sie im Stillen, ebenso wie er seinen Zorn im
Hintergrund hält. Vincent ist stets beherrscht, Emotionen wie Wut oder
Aggression zeigt er höchst selten um sich das Image des „netten, freundlichen
Onkels“ zu wahren. Nicht einmal Viktor weiß so wirklich, was in diesem Jungen
vor sich geht, für ihn ist Vincent sein bester Schüler, den er dennoch gerne als
Marionette ansieht und gebracht. Vincent ist sich dessen bewusst und duldet es,
da es für ihn von Nutzen ist. Durch seinen Mentor kann er die Welt sehen und
Aufträge ausführen, um seinen Kenntnisstand und seinen Erfahrungsschatz zu
erweitern. Außerdem steht nirgends geschrieben, dass er unterwegs nicht auch ein
paar persönliche Dinge erledigen kann, Vincent fragt jedenfalls nicht, er tut es
einfach.
Tief in seinem inneren befindet sich noch immer das Kind, welches mit 8 Jahren
unterdrückt worden war. Vincent glaubt, dieses unter Kontrolle zu haben, doch
hin und wieder gibt es Situationen, in denen ihm der Druck, der auf ihm lastet
zu viel wird und er einfach ausbrechen möchte.
Vincent hat noch immer panische Angst vor dem Nebel und vermeidet es deswegen,
an Nebeltagen auf die Straße zu gehen.
Gestalt | Größe | Gewicht |
Homid | 1,75m | 69kg |
Glabro | 1,90m | 190kg |
Crinos | 2,85m | 380kg |
Hispo | 1,43m | 380kg |
Lupus | 0,88m | 52kg |
Geschichte:
"Es ist immer dieser eine Traum."
Vincent knöpfte sein Jackett auf und entledigte sich seiner Waffe, dann
wendete er sich ab, richtete seinen Blick aus dem Fenster und in die Ferne.
Es war nicht so, dass er seinem Gegenüber vertraute, Vincent vertraute nur
sich selbst, doch das Magazin der Pistole war leer, dieses Wissen gab ihm
ein Gefühl der Sicherheit, ebenso wie die Tatsache, dass dies nicht die
einzige Knarre war, die er mit sich herumtrug.
An das Fenster lehnend schloss er die Augen, zog die Brauen zusammen und
zeigte so einen nachdenklich-verkniffenen Gesichtsausdruck, den sein
Zuhörer, dem er den Rücken kehrte, jedoch nicht sehen konnte. Jener hielt
den Atem an. Dieser Vincent war unberechenbar, dies stellte selbst für ihn
kein Geheimnis dar.
"Dichter Nebel hing über den Wipfeln der hohen Tannen. Es war ein
außergewöhnlicher Tag, etwas lag in der Luft, das spürte ich. Ich, gerade
mal sechs Jahre alt, lag in meinem Bett und fürchtete mich. Wann immer sich
die weißen Fäden über den Wald legten, der unser kleines Dorf umgab, ging
etwas nicht mit rechten Dingen zu. Etwas geschah und ich weiß bis heute
nicht, was es war. Doch dieser eine Tag war anders.
Es war, als würde sich die Sonne, der Tag, verdunkeln. Und dann erklang in
der Ferne das Heulen mehrere Wölfe. Eines davon kannte ich nur zu gut. Es
gehörte zu meinem Vater.
Das er ein Garou war wusste ich, doch ich wusste nicht, gegen was er
kämpfte. Er hatte mich nie auf seine Streifzüge mitgenommen, das hatte mich
sehr traurig gemacht, und doch war er es, dem meine uneingeschränkte
Bewunderung galt. Er war so stark. Er hatte blaublitzende Augen und wann
immer er mich auf seinen starken Arm nahm war ich stolz darauf, sein Sohn zu
sein.
"Deine Zeit wird kommen, Vincent."
Wie oft hatte ich das aus seinem Mund gehört. Er schien zu wissen, dass auch
ich irgendwann einmal dem Weg, den er bereits gegangen war, folgen würde.
Mutter und ich wussten dies nicht und um ehrlich zu sein glaubte ich nicht
daran; bis zu meinem 16. Lebensjahr, in welchem ich mich schließlich zum
ersten Mal verwandelte, hielt ich es für unmöglich, mich selbst für
unwürdig.
Ich war immer der kleine Junge. Mickriger als meine Klassenkameraden und nie
besonders gut im Sport. Sie ließen mich niemals mit ihnen Fußball spielen,
wann immer sie über den Bolzplatz tobten lief ich alleine über die Wiesen.
Ich setzte mich ins Gras und lauschte dem sanften Wind und träumte davon,
für Gaia zu kämpfen. Vater hatte mir alles über sie erzählt. Und er hatte
gesagt, dass auch er für sie kämpfte, was dies beinhaltet wusste ich zur
damaligen Zeit jedoch nicht.
Niemand wollte etwas mit mir zutun haben, denn ich war anders. Von Geburt an
anders, das war mir klar, also suchte ich auch nicht nach einer Möglichkeit,
zu den Menschen gehören zu können, denn ich war keiner. Trotzdem machte mich
ihre Ablehnung sehr traurig. Meine Mutter spürte das, doch vor ihr versuchte
ich den starken zu spielen, ich wollte nicht, dass sie meine Tränen sah. Sie
hatte genug um die Ohren.
Das Heulen schien mich magisch anzuziehen, ich musste einfach aufstehen, die
Wärme und Behaglichkeit meines Bettes verlassen... denn es zog mich zu sich.
Ich war noch so jung, trotzdem stellte ich mir vor, wie ich mit den Wölfen
laufen würde... wie ich meine Fangzähne in den Rumpf meiner Feinde jagen
würde. Die Bestie in mir regte sich und in Gedanken lief ich schon auf allen
vieren durch die Wälder.
Meine Menschenbeine waren es jedoch, die mich vor die Tür trugen. Ich hatte
mich nicht einmal angezogen, lief in meinem Schlafanzug los, wohlwissend,
etwas dummes, etwas verbotenes zu tun.
"Halte dich vom Wald fern, Vincent!"
Ich kann noch heute den eindringlichen Blick sehen, mit welchem er dies
sagte.
"Gehe niemals in den Nebel, er wird dich verschlingen!"
Und er verschlang mich. Er umfing mich. Er machte mich blind. Er nahm mir
die Luft zum Atmen.
Das Heulen der Wölfe schien von überall zu kommen. Ich drehte mich um mich
selbst, ging zu Boden... kroch über den Walduntergrund bis ich schließlich
neben einem Baumstamm liegen blieb.
Alles war weiß. Alles war kalt. Und es war nass. Ich zitterte vor Kälte und
spürte, wie die Feuchtigkeit meine Glieder benetzte, wie sie an ihnen hinauf
zog. Wie sie mich umfind.
Ich fühlte mich alleine. Ich war mir sicher, diesen Wald niemals wieder
verlassen zu können. Und dann geschah es. In meiner direkten Nähe ertönte
ein furchtbarer Schrei, der mir durch Mark und Bein ging. Und dann fiel mir
etwas zwischen die Füße. Es war der Körper eines Wolfes. Er war tot.
Ich weiß nicht wie lange ich dort saß und auf den Kadaver meines Vaters
starrte. Blut trat aus einer riesigen, fleischigen Wunde im Nackenbereich,
es tränkte den Waldboden und färbte ihn rot.
Irgendwann trat die Sonne durch die Wipfel. Der Nebel war verschwunden. Er
hatte mich nicht verschlungen. Aber er hatte mir das wichtigste meines
jungen Leben genommen. Vielleicht meinte Vater das mit ‚verschlingen’.
Mit einem riesigen Wolf auf den Armen kam ich zu unserem Haus zurück und
erregte Aufruhr unter dem gläubigen Volk unseres Dorfes. Vater war schwer,
ich musste ihn mehrmals absetzen... doch irgendwann konnte ich ihn auf die
Stufen vor unserer Haustür legen."
Vincent fuhr sich durch das dichte Haar und öffnete wieder seine Augen,
richtete den Blick auf den Fremden.
"In meinen Träumen wandere ich durch Nebel. Wieder und wieder. In meinen
Träumen sehe ich den dichten, unheilverheißenden Nebel aus dem Wald
emporsteigen. Und obwohl ich weiß, dass mich der Nebel verschlingen wird,
betrete ich ihn erneut. Jede Nacht aufs neue. Und dann höre ich diesen
Schrei..."
Er seufzte und setzte sich hinter den Schreibtisch, auf welchem er zuvor die
Waffe abgelegt hatte. Dann stützte er seine Stirn auf die Flache Hand und
kniff die Augen erneut zusammen, versuchte diesen Schrei aus seinem
Gedankenfeld zu verdrängen.
"Vincent der Wolfstöter... sie hatten Angst vor mir, das genoss ich, denn
sie ließen mich in Ruhe. Auch Mutter ließ mich alleine und wir redeten nie
wieder über jenen Tag. Sie spürte, dass ich das nicht wollte... sie wollte
es ebenso wenig.
Ich mied den Wald und den Nebel. Wann immer so ein Morgen anbrach blieb ich
den ganzen Tag zu Hause. Ich schloss die Vorhänge und hielt mich fern. Lebte
im dunkeln. Mit der Dunkelheit kam ich aus, nicht aber mit den Nebel."
Vincent schien sich wieder zu fassen, er lehnte sich in seinem Stuhl zurück
und blickte eine Weile lang wortlos aus dem Fenster, als suchte er
irgendetwas. Dann langte er nach seiner Pistole und begann diese mechanisch
mit einem alten Wolllappen zu putzen, während er weiter sprach.
"Als ich acht wurde änderte sich mein Leben für immer. Wir zogen fort aus
unserem Dorf und in die Stadt, nach Prag. Dort fühlte ich mich sehr
eingeengt, doch wenigstens musste ich den Nebel so weniger sehen. Des Nachts
kroch er manchmal in die Stadt, doch dann brachte ich mich rechtzeitig in
Sicherheit. Ich hatte noch immer große Angst vor ihm.
Eines Abends rannte ich wie schon ein paar Male zuvor vor den weißen
Schwaden davon und zurück nach Hause, ich schloss die Tür auf und bemerkte,
dass etwas geschehen war. Ein fremder Geruch lag in unserer Wohnung und als
ich die Küche betrat bemerkte ich dort einen Mann, der sich mit meiner
Mutter unterhielt. Als ich zu ihnen trat verstummte ihr Gespräch, beide
sahen mich so an, als hätten sie gerade über mich gesprochen.
Viktor, so stellte sich der Fremde vor, kam öfters. Und eines Tages lag ein
Geschenkt auf meinem Bett, welches meinem Leben einen neuen Sinn gab
Der junge Mann grinste und streichelte die Waffe bei diesen Worten mit
besonderer Zärtlichkeit.
"Glaube nicht, dass meine Mutter einfach so toleriert hat, dass mein Onkel,
Viktor, einem achtjährigem Schießunterricht gab... sie hatten viele
Streitereien, Diskussionen, doch er hat sich durchgesetzt.
Ich lernte schnell. Und treffe heute beinahe präziser als Viktor. Er wurde
mein Mentor, zu meinem strengen Lehrer, er verlangte mir weiß Gaia einiges
ab. Es war keine leichte Zeit, doch ich bin an ihr gewachsen.
Schon in den jüngsten meiner Tage band er mich in das politische Geschehen
der in Prag beheimateten Septe ein und die Garou sahen in mir ihre Hoffnung.
Viktor war nicht mehr der jüngste und ich sollte irgendwann einmal seinen
Posten als Septenführer übernehmen, er bildete mich mit solch einer
Genauigkeit und einer unglaublichen Zielstrebigkeit aus, wie keinen anderen
seiner Schüler.
Ich lernte, geschickt zu verhandeln, mit Worten zu spielen, zu malen... ich
gaukelte den Menschen Dinge vor, legte ihnen Sätze in den Mund, verdrehte
ihre Argumente, ohne dass sie es bemerkten... ich verwandelte meine
Nachteile in Gewinn, lauerte in der Dunkelheit und gewöhnte mir eine Art zu
Leben, zu Handeln an, die viele verblüffte.
Ich begann über mein Agieren nachzudenken. Ich gab mich stets seriös und
vermied Albernheiten, vor allem vermied ich es, anderen Menschen Dinge über
mich zu erzählen.
Nicht einmal Viktor weiß, dass mich der Nebel bis heute nicht los gelassen
hat. Er weiß nur, dass er damals beinahe alles kaputt gemacht hat."
Vincent wurde ernst und ließ die Waffe sinken, hielt in seiner Bewegung inne
und fixierte sein Gegenüber erneut, musterte ihn für eine Weile ehe er
wieder aus dem Fenster stierte. Als er fort fuhr war seine Stimme
angeschlagen und rau, offenbar bereitete es ihm Probleme, über diesen Teil
seiner Geschichte zu reden.
"Ich fieberte meiner Verwandlung entgegen. Irgendwann wusste ich, dass sie
nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Meine Träume wurden
intensiver. Und sie veränderten sich, zeigten, was hätte sein können. In
ihnen blieb ich nicht reglos neben dem toten Wolf sitzen... nein, ich erhob
mich und zerriss die Wyrmbestie mit bloßen Händen... dann lief ich durch den
Nebel, war auf der Suche nach Blut... wollte Blut riechen, schmecken, wollte
es auf meinen Händen spüren... in diesen Träumen war es nicht der Nebel, der
mich beherrschte... es war etwas anderes, weitaus grausameres... ich selbst.
Irgendwann brach es durch. Der Wolfkadaver fiel neben mir zu Boden und ich
erhob mich, meine Knochen brachen, Sehnen rissen... und als ich in den
Himmel blickte, dort aber nichts sah als die schwarze Nacht und nicht die
Baumwipfel, wusste ich, dass es diesmal Realität war.
Es war, als würden sich zwei Teile zu einem ganzen zusammen fügen. Ich war
so enthusiastisch, hatte ich diesem Moment doch so viele Jahre lang entgegen
gefiebert... ich lief sofort los, hinaus in die leeren Straßen... und
erwachte erst, als die Sonne meine blanke Haut berührte.
Zuerst dachte ich, ich wäre schlafgewandelt, hätte bloß schlecht geträumt.
Doch es war anders. Viktor war verdammt stolz auf mich, nun, da ich endlich
komplett war, drängte er, meinen ersten Ritus abzuhalten. Am liebsten hätte
er es noch in derselben Nacht getan. Er brannte darauf, mir endlich eine
Aufgabe zu übertragen.
Sie hatten sich eine interessante Prüfung für mich ausgedacht. Ich sollte
einem Kontaktmann, er war Glaswandler, wertvolles Computerzubehör
abschwatzen, was wir sehr gut hätten gebrauchen können. Es würde ein
leichtes für mich sein, dass wusste Viktor, das wusste ich ebenso.
Die Karlsbrücke war unser Treffpunkt, bei Mitternacht sollten dort die
Verhandlungen statt finden. Trotz aller Zuversicht war ich nervös uns so
begab ich mich bereits zwei Stunden vorher zur Brücke. Als die Turmuhr halb
12 schlug bemerkte ich, wie Nebel in die Stadt kroch. Er umspielte die
Häuser und schien direkt vom Wasser aufzusteigen, mich zu umgeben. Ich
ballte meine Hände zu Fäusten. Konzentrierte mich. Ich würde die Prüfung
bestehen. Doch es kam anders.
Da waren Stimmen in meinem Kopf. Nein, keine Stimmen, das Heulen der Wölfe.
Ich bemerkte, wie ich durchdrehte. Vor meinen Augen befanden sich nicht
länger die schönen, alten Häuser, nein, ein Wald schoss aus dem Boden. Und
mit ihm der Nebel. Es roch nach Blut. Dieser Geruch ergriff die Kontrolle
meiner Sinne, er überrannte mich. Was dann geschah weiß ich nicht. Ich
erwachte in einem Krankenbett."
Wieder hielt er inne und begann, die Pistole nachdenklich zwischen seinen
Handballen zu drehen. Dann öffnete er sie und legte ein neues Magazin ein,
entsicherte und wirkte noch immer abwesend, blickte weiter aus dem Fenster.
Ruckartig richtete Vincent seinen Blick schließlich wieder auf seinen
Zuhörer, doch nun schien er nicht mehr er selbst, seine Gesichtszüge waren
zu einer beinahe wahnsinnigen Grimasse verzogen, er lachte leise, verrückt.
"Und doch gibt es für jemanden, der sich nichts sehnlicher wünscht als groß
zu sein immer eine zweite Chance, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Vielleicht interessiert dich, was mein Posten in dieser Septe ist. Ich bin
Auftragskiller. Ich töte die Menschen, die Viktor im Weg stehen. Unser Ziel
ist politische Macht. Wenn wir die Kontrolle über diese Bastarde von
Menschen übernehmen, werden wir das Unheil abwenden können. Kein Giftmüll
mehr. Keine Korruption."
Mit einem Mal war seine Miene wieder eisern.
"Vertrauen ist eine zarte Pflanze, die im dunkeln wächst, weißt du das? Seh’
sie wie diese Waffe. Gehört sie dir, kannst du dich stark fühlen. Doch
besitzt du sie nicht... befindest Lebensgefahr.
Ich selbst vertraue niemandem. Nicht einmal Viktor. Sicher, wir arbeiten
zusammen... doch das heißt noch lange nicht, dass ich nicht meine eigenen
Ziele verfolge. Schließlich muss sich unsere "Zusammenarbeit" ja auch für
beide Seiten lohnen, richtig?
Ich habe im Laufe der Zeit gemerkt, dass man bei Menschen mit Freundlichkeit
viel mehr erreicht als mit allen Drohungen der Welt. Gebe ihnen das Gefühl
wichtig zu sein, und sie fressen dir aus der Hand.
Genauso ist es mir dir. Du sitzt hier in meinem Büro, deine Instinkte
jedoch, und alles andere in dir, schreit. Vielleicht ist dies der größte
Fehler der Menschen... sie verlassen sich viel zu sehr auf ihren Verstand.
Wie dem auch sei, du hast mir heute Abend sehr viel Arbeit erspart. Ich
werde also Zeit haben, das zu tun, was viele dumme Menschen tun: Fernsehen.
Leider muss ich vorher noch etwas zu Ende bringen. Nachdem du dich für meine
Geschichte interessiertest möchtest du sicherlich auch wissen, welche
Projekte ich derzeit verfolge... nachdem ich dir nun alles über mich erzählt
habe werde ich dir dies nun auch nicht verheimlichen..."
Mit diesen Worten drehte er den Monitor, der auf dem rustikalen Holztisch
stand, so um, dass sein Besucher erkennen konnte, was auf ihm zu sehen war.
Kurze Zeit später sank der Lesende in sich zusammen.
Drei Schüsse, präzise wie nie. Zwei in die Brust, einer im Kopf. Der Klang
der Pistole verhallt lautlos.
"Schade, dass du nicht mehr in die Welt hinaus tragen kannst, dass man
jemanden wie mich niemals nach seiner Vergangenheit fragen sollte."
Vincent flüsterte die Worte, so als wäre der Geist des Toten noch irgendwo
hier anwesend, dann zog er an seiner Krawatte um diese zu lockern, legte die
Waffe wieder auf den Tisch und ließ sich zurück in seinen Schreibtischstuhl
sinken. Wortlos betrachtete er den Mensch und war im Geiste schon längst wo
anders. Er würde heute Abend ein Glas Wein trinken. Das hatte er sich
verdient.
Lautlos wurde die Tür aufgeschoben.
"Dummer Junge, du weißt genau, dass ich es nicht leiden kann, wenn du mit
deinen Opfern spielst."
Es war Viktors kratzige Stimme, dieser verzog keine Miene.
"Wenn du mir bitte folgen würdest... ich habe einen Auftrag für dich."