Sylvester Nicholas-Ray
Farland
Name: Sylvester Nicholas-Ray Farland
Garouname:
Geschlecht: männlich
Brut: Homid
Vorzeichen: Philodox (zunehmend)
Stamm:
Rang: Welpe
Rudel:
Rudelrang:
Septenamt:
Alter: 17 (19.10.1988)
Nationalität: Amerikanisch
Erscheinung: Sylvester hat das Aussehen seiner asiatischen Mutter Miwako geerbt, gleichwohl blieben ihm ihre winzigen 154cm doch erspart und er kommt auf annehmbare 170cm. Er ist eine schlanke, recht hübsche und wenig einschüchternde Gestalt mit ursprünglich lackschwarzen, halblangen Haaren und ebenso dunklen Augen. Üblicherweise kleidet er sich in einfache und dunkel gefärbte Shirts und Jeanshosen, ein Paar Sportschuhe dazu, in der Tasche eine zerdrückte Zigarettenpackung und unter einem Arm ein Buch. Fertig. Nur selten reißt er aus diesem stereotypischen Auftreten aus und kleidet sich auffälliger.
In Crinos/ Hispo/ Lupus: Schwarzes Fell, das nur
stellenweise von helleren Brauntönen durchdrungen wird und je nach Lichteinfall
eher gescheckt als einfarbig ist. Es ist weder auffallend lang noch kurz, aber
relativ dünn.
Charakter: Sylvester ist ein ruhiger und ausgeglichener, um nicht zu
sagen sehr stiller Charakter. Das liegt allerdings weniger daran, dass er nichts
zu sagen hätte oder auf Gespräche verzichten wollen würde, er hat vielmehr ein
Problem damit Personen von sich aus anzusprechen. Mit seiner teilweise stark
ausgeprägten Schüchternheit hat er nicht selten fälschlicherweise das Gefühl
Personen zu nerven. Andererseits verleiht ihm dies die Möglichkeit viele Dinge
aus unterschiedlichen und oftmals sehr objektiven Perspektiven zu betrachten und
zu behandeln. Er hat einen trockenen und bisweilen mehr als angeschwärzten Humor
und schätzt ausgiebige Gespräche weit mehr als irgendwelche tollkühnen
Aktivitäten. Vielleicht ist er deshalb ein heimlicher Liebhaber von
Meerschweinchen, deren er auch drei besitzt, und fürchtet große Höhen wie andere
das Feuer. Wahrscheinlich liegt irgendwo hier auch seine erste Vorliebe für das
Internet und die moderne Technik der Computerwelt begründet. Ungerechtfertigte
Risiken und falscher Heldenmut sind ihm scheinbar fremd. Ungerechte Behandlungen
oder Lügen stoßen bei ihm auf erstaunlichen Widerstand, denn beides sind Dinge
die ihm schlichtweg zuwider sind. Das sind die seltenen Augenblicke in denen
auch er einmal aus der Haut fahren könnte, sollten alle vernünftigen Worte auf
taube Ohren treffen, und die sonstige Zurückhaltung gegen geduldige und
hartnäckige Argumentation eintauscht.
Gestalt | Größe | Gewicht |
Homid | 1,70m | 60kg |
Glabro | 1,85m | 165kg |
Crinos | 2,78m | 330kg |
Hispo | 1,39m | 330kg |
Lupus | 0,85m | 45kg |
(Zusammen gefasster) Hintergrund:
[Ein kurzer Abriss von 1988 bis 2005]
Aufgewachsen ist Sylvester bei seinen Eltern Miwako (geb. Cheng) und
Nicholas Farland in Staten Island. Sein Vater Nicholas führte ein reges und
sehr arbeitsintensives Leben. Tatsächlich war er weit mehr außer Haus als
darin anzutreffen. Ganz im Gegenteil zu Miwako, die in ihrer Hausfrauenrolle
regelrecht aufblühte.
Da ihr Haus ein ganzes Stück abseits der anderen Wohnungen lag waren
Freundschaften in seiner Kindheit recht rar gesät. Und bis auf die wenigen
Schulfreunde, die im Übrigen nur sehr selten zu ihnen ins Haus kamen, kannte
er keinen direkt aus ihrer Nachbarschaft. Wobei das ‚direkt’ sich auf die
nächsten Häuser in einiger Entfernung bezog, denn das Einfamilienhaus das
sie bewohnten war weitläufig freistehend.
Seiner Mutter Miwako war das offenbar ganz recht. Sie zumindest traf sich
nur hin und wieder mit zwei anderen Frauen zum Tee oder Einkaufen und
begrüßte es offenbar, dass ihr Sohn viel Zeit mit ihr im Haus verbrachte.
Selbst dann, wenn er an einer der Konsolen oder vor dem Computer in seinem
Zimmer saß. Das Geschenk seines Vaters als dieser für eine ganze Reihe an
Tagen außer Haus war. Er sorgte auch dafür, dass der Junge reichlich Umgang
mit den neusten Errungenschaften der vergnüglichen Technik hatte.
Schließlich wurde Nicholas selbst von seiner Frau ein ‚schlimmer’ Faible für
den ganzen "Schnick-Schnack" nachgesagt. Diese indes besitzt zwei linke
Hände für alles was blinkt und Strom braucht. Selbst mit dem alten
Videorekorder hatte Miwako ihre Liebe Mühe und Not.
Obwohl sie dort ein sehr vorbildliches und weites gehend sorgenfreies
Vorstadtleben führten – und führen – zog es den Jungen bereits mit Sechzehn
fort aus der beschaulichen Familienidylle. Den ehrgeizigen Traum im Kopf
einmal die New York University zu besuchen und das sehr ruhige und dank
seiner Mutter ebenso durchorganisierte Elternhaus im Nacken verschlug es ihn
nach Manhatten.
Gerade Miwako verträgt diese Trennung scheinbar schlecht. In aller
Regelmäßigkeit und in zunehmend geringer werdenden Abständen meldet sie sich
bei ihrem Sohn und erkundigt sich über dessen Tagesablauf – die kleinen und
großen Veränderungen und scheinbar nebensächliche Details sind ihr dabei
gleich wichtig.
Sylvester wird dabei nicht müde alles zu wiederholen und ihr geduldig auch
noch von der kleinsten Veränderung im Verhalten seiner geliebten Haustiere
zu erzählen.
Die drei Meersäue sind das einzige was er direkt aus seiner Heimat
mitgenommen hat. Lange Jahre hatte seine Mutter darauf beharrt, dass er
keine Tiere mit in das Haus bringen sollte. Tatsächlich versuchte sie ihn
als Jungen sogar davon zu überzeugen, dass sie eine Tierhaarallergie hätte
und erst als Sylvester ihr die langen Haare eines Hundes – zumindest
vermutete er dass die Fellbüschel von einem Hund waren – ohne Reaktion unter
die Nase hielt gab sie nach.
Allerdings stand die Haltung der Nager nie unter einem guten Stern und
Sylvester hatte nicht umsonst das Gefühl, dass die Tiere zu schreckhaft und
unnatürlich nervös waren. Zu seiner Erleichterung haben sie sich in der
neuen Umgebung wesentlich beruhigt. In letzter Zeit allerdings weicht die
angenehme Ruhe von den genügsamen Tieren wieder und Sylvester ist dazu
übergegangen sie vermehrt zu beobachten. Eine Krankheit scheint es nicht zu
sein die Sugar, Shaker und Brand hektisch, schreckhaft und nervös werden
lässt.
Obwohl er neben der Schule immer wieder etwas arbeiten geht und vor allem
die Ferien dazu genutzt hat sich etwas Geld dazu zu verdienen läuft die
Finanzierung seiner Wohnung doch hauptsächlich über seine Eltern. Das
Sparbuch welches sie bei seiner Geburt angelegt haben ist noch unangetastet
und das darauf liegende Geld wird ihm zu seinem achtzehnten Geburtstag in
die Hände gegeben. Das dieser Tag beständig und mit größer werdenden
Schritten näher rückt ist Sylvester allerdings wie vieles andere entgangen.
Tatsächlich liegt seine Konzentration vollends darauf einen möglichst guten
Abschluss zu schaffen, um sich im Folgejahr mit den Bewerbungen an der New
York University auseinander setzten zu können.
C:Y:B:E:R:S:P:A:C:E
[Kapitel Eins: EIN NAME]
Mai 1988, Staten Island
Das kleine Restaurant lag etwas außerhalb der Wohnsiedlung von Staten
Island. Sein rustikales Ambiente versuchte den Stil vom Wilden Westen wieder
aufleben zu lassen. Das gelang ihm freilich nicht und die meisten der höchst
dekorativen Elemente trieben dem geneigten Betrachter eher die Lachtränen in
die Augen als Bewunderung ins Gesicht. Nichtsdestotrotz stellten sie die
besten Steaks diesseits der Verrazano Bridge her und erfreuten sich deshalb
einem regen Andrang und vieler Stammkunden.
Etwas abseits der größten Ansammlung von Tischen und von fremden Blicken
diskret durch zwei bunte Glaswände mit einem triumphierend brüllenden Cowboy
darauf verborgen, hatten sich Nicholas und seine Frau Miwako nieder
gelassen. Zuerst in ein Gespräch vertrieft genossen sie nunmehr das Gericht
und lauschten halbherzig auf die Gespräche aus dem Lokal.
"Was hälst du von Cynthia?"
Miwako sprach leise. Trotzdem hätte Nicholas sich beinahe an dem Steak
verschluckt und als er sich nun mit unterdrücktem Husten seiner Frau
zuwandte stand vollkommene Unverständnis in seinen Augen. "Was willst du mir
sagen Mi?"
Verträumt stocherte die junge Frau in ihren gebratenen Kartoffeln. Sie aß
selten auf aber bis jetzt hatte sie nahezu gar nichts verzehrt und auf ihrem
Teller häufte sich beinahe noch ihre ganze Portion.
"Ich wollte nur wissen ob du den Namen Cynthia magst."
"Nein, ich mag ihn nicht.", erwiderte Nicholas nach einem Augenblick des
Schweigens indem er unter zusammen gezogenen Brauen verfolgte wie Miwako ein
Stück Kartoffel quer durch die Soße und über den Teller schob.
"Und Bhae-Jin?"
"Was bitte heißt Bhae-Jin?"
Miwako lächelte leicht und schüttelte den Kopf als könne sie seine
Unverständnis nicht nachvollziehen. Leise klappernd legte sie Messer und
Gabel neben einander, dann sah sie zu ihm auf.
"Das ist koreanisch. Mein Großvater hieß so."
"Und was soll das bedeuten Mi?"
Sie zuckte mit den Schultern und strich sich eine Haare zurück die sich aus
dem straffen Knoten am Hinterkopf gelöst hatten.
"Ich weiß es nicht. Aber ich mag den Namen. Ich würde es gerne asiatisch
benennen."
Nicholas schluckte das letzte Stück Steak herunter und legte dann ebenfalls
widerwillig Messer und Gabel beiseite. Im Gegensatz zu seiner Frau ließ er
das Essen selten verkommen – eigentlich nie.
"Wir leben in New York, wäre es da nicht angebracht ihm einen amerikanischen
oder wenigstens englischen Namen zu geben Mi? Er wird sowieso schon
auffallen und ich dachte wir hätten uns auf Sylvester geeinigt."
Miwako schob die Unterlippe vor. Wie immer wenn sie protestieren wollte
bebten ihre Nasen Flügel leicht und sie holte tief Luft. Die schmalen Hände
akkurat neben dem Teller auf den Tisch gelegt beugte sie sich ein wenig vor.
"Aber er soll ja nicht wie alle sein! Woher willst du überhaupt wissen das
es ein er wird? Und nicht ein kleines Mädchen?"
Nicholas seufzte leise. Diese Unterhaltung hatten sie im Verlauf der letzten
vier Monate beinahe jeden Tag an dem sie sich sahen geführt. Der Name des
Kindes stand bereits fest, selbst wenn es ein Mädchen würde. Miwako
allerdings ließ von dem Gedanken eines asiatischen Namens nicht ab und erst
recht nicht von dem einer Tochter. Inzwischen hatte sie ihm alle möglichen
Vorschläge unterbreitet ohne auf seinen Einwand zu achten, dass dieser
Geburtsname ohnehin nicht immer allein zählen würde.
"Wenn es ein Mädchen wird heißt sie Laura Nicole. Das haben wir das letzte
Mal und das davor auch besprochen."
Seine Frau zog sich zurück und hob die weißen Hände von dem Tisch. Wenn sie
sich so wie jetzt zurück lehnte konnte er den gewölbten Bauch unter dem
leichten Sommerstoff des Oberteiles durchschimmern sehen. Er betrachtete ihn
meist mit zwiespältiger Meinung. Sicherlich war ein Kind durchaus
erstrebenswert aber allein Miwako war ein sehr anstrengender und
liebebedürftiger Mensch. Gleichwohl er ihr zugeneigt war zog ihre Art
bisweilen an seinen Nerven.
"Ich habe darüber nachgedacht…", begann sie nun langsam. Ein Lächeln
umspielte die roten Lippen und Nicholas ahnte das sie ihm einen Vorschlag
unterbreiten wollte den er scheinbar nicht abschlagen würde können. "Gestern
Nacht und die davor und die davor. Ich habe mir noch einmal die Namensbücher
angesehen und bin meine Notizen durchgegangen."
Nicholas nickte ergeben während auch er sich zurück lehnte. Die
Manschettenknöpfe seines Anzuges waren geöffnet und er verschloss sie
beiläufig wieder. Dieses ganze Namensthema war offenbar unerschöpflich.
Dabei, hätte er darauf bestanden alleine zu entscheiden, hätte er das Kind
Nicholas Jr. genannt. Schlicht und sinnvoll.
"Mir gefällt Sylvester Nicholas aber ich bin der Meinung er sollte nicht nur
deinen Namen tragen. Und weil du immer auf englische oder amerikanische
Namen beharrst…", an dieser Stelle zog sie ihre hauchdünnen Augenbrauen ein
wenig in die Höhe um ihrer Haltung gegenüber 'amerikanischen' Namen mehr
Nachdruck zu verleihen. "..weil du nun immer darauf bestehst habe ich mich
für einen asiatischen Namen entschieden der inzwischen auch im englischen
Einzug gehalten hat. Und den man überdies sowohl für ein Mädchen als auch
einen Jungen verwenden kann."
Nicholas wiederholte ihre Mimik und hob die Brauen an. "Hast du?" gab er
barscher zurück als beabsichtigt, doch Miwako entgegnete es nur mit einem
weiteren Lächeln. Seine bisweilen unfreundliche Ader hatte sie noch nie
beeindruckt. Allerdings vermutete er zwischenzeitlich dass sie, sie
schlichtweg nicht verstand oder verstehen wollte.
"Das habe ich. Wenn es ein Junge wird nennen wir ihn..", es folgte eine
kleine Kunstpause in der sie den flatterhaften Stoff ihres Oberteiles
zurecht rückte und einen Kellner näher winkte um ein Wasser zu bestellen,
dann räusperte sie sich leise wieder und sah ihn begeistert über ihre
folgenden Worte an.
"Sylvester Nicholas-Ray Farland."
Nicholas schlug die Augen zur decke und öffnete den Mund um etwas zu
erwidern aber da sprach sie auch schon weiter.
"Und ein Mädchen wird Laura Nicole-Ray Farland heißen."
Er konnte nur den Kopf schütteln. Die wilden Kreationen seiner Frau
entbehrten jedweder Logik und überdies klangen sie nun erst recht seltsam.
"Wie du meinst Mi…. dein Essen wird kalt."
Sie schien übers ein offenkundiges Desinteresse nicht weiter besorgt sondern
griff stattdessen wieder nach dem Besteck. Vergnügt begann sie wieder damit
die Bratkartoffeln sinnlos über den Teller zu schieben. Niemand verstand wie
gerade er sich in eine solche Frau hatte verlieben können – am
allerwenigsten verstand er selber warum es ihn immer wieder zu ihr zog.
Nicholas knirschte mit den Zähnen dann drehte er sich dem ungeduldig
wartenden Keller zu.
"Einen Rotwein bitte."
[Kapitel Zwei: SCHIFFSKOMMANDO]
August 2001, Staten Island
Warmer Sonnenschein tauchte die Vorstadtidylle von Travis in ein regelrecht
unrealistisch friedliches Bild. Die schmucken Reihenhäuser zeigten sich im
sauberen Weiß und mit penibel gestutzten Rasenflächen davor. Links und
Rechts zu den Gartentoren rankten Rosensträucher und auf den Seiten wogen
Sonneblumen, Tulpen und andere genügsame Blumen vor den weiß gestrichenen
Lattenzäunen.
Eine Baumallee zog sich schnurrgerade durch die Reihen und trennte die
vollkommen identischen Hausreihen voneinander. Hinter dem ein oder anderen
Gartentor lag ein gepflegter Golden Retriever oder ein Dalmatiner der sein
Fell von der Sonne wärmen ließ. Nur vereinzelt schallte das Lachen von
kleinen Kindern zwischen Veranda und Haustür auf oder drang aus den
angelehnten und mit Fliegengittern und langen Vorhängen bestückten Fenstern.
Weiter hinten und nach der nächsten Querstraße verliefen sich die Häuser ein
wenig. Je näher man dem Fresh Kills Park kam desto frei stehender wurden die
Häuser. Bis zuletzt weit mehr als nur ein Steinwurf zwischen ihnen lag. Das
Haus der Farlands, ein hübsches Haus mit weißen Wänden und rotem
Schieferdach, stand vielleicht hundert oder achtzig Meter von dem der
Brookes links und rechts von den McMarlons entfernt. Auch hier umschloss ein
weißer Gartenzaun den ordentlichen Vorgarten und lief in weitem Abstand von
der Veranda und den Hauswänden vorbei nach hinten um dort auch den kleineren
und vor allem schattigeren Garten zu umschließen.
Bei den Brookes brannte überall im Haus Licht und laute Musik drang aus den
weit geöffneten Türen und Fenstern. Im Gegensatz dazu lag das verschlossene
Haus der McMarlons still da, denn das alte Ehepaar war mit seinen
erwachsenen Enkelkindern verreist. Das mittlere der drei vorbildlichen
Häuser schließlich lag ruhig wohl aber belebt da.
Aus dem oberen Stockwerk klang gedämpfte Musik und wer durch den Vorgarten
ging um unter das Küchenfenster zu treten hätte eine leise Frauenstimme
hören können, die beim Backen leise vor sich hinsummte.
Miwako hatte die Haare hoch gesteckt und sich eine der großen Schürzen
umgebunden. Während sie die runden Kekse ausstach und sorgfältig neben
einander auf das fettig glänzende Backblech legte. Im Hintergrund lief leise
ein Radio und spielte alte Countrylieder.
Nur ein Stockwerk höher auf der anderen Hausseite verloren sich die ruhigen
Töne inmitten eines durcheinander aus Zischen, Klingeln und Rattern.
Vermischt mit der gleich bleibenden Keyboard generiertem Melodie war das die
Hintergrundmusik des Playstationspiels das Sylvester spielte. Auf dem Boden
hockend, zwischen den Beinen eine Flasche Wasser und den Joystick fest in
den Händen starrte er gebannt auf die eckige Landschaft eines Segelschiffes
die, die unsichtbare Figur im Laufschritt durcheilte. Immer wieder tauchten
wankende Figuren aus dem Nichts auf, die, nachdem sie mit einem blubbernden
Ächzen unter einem Schuss in die Knie fielen, als "Toter Seemann" oder
"Blutiger Matrose" bezeichnet wurden.
An der Unterlippe nagend bewegte Sylvester die unsichtbare Figur, Troy
Harlem, näher an den Eingang zur Kapitänskajüte heran. Er wusste dass sich
dort wahrscheinlich der Eingang zu einem Labyrinth aus Schlafkabinen und
Lageräumen im Bauch des Schiffes verbarg. Der Zwölfjährige hatte in den
letzten sechs Tagen beinahe jeden Tag vor dem Spiel ‚Schiffskommando’
gesessen und die verschiedenen Zeitalter des Schiffsbaus durchlaufen und
immer war er dabei unter den Kapitänskajüten auf noch größeren Widerstand
gestoßen. Andererseits lag da unten auch der gesuchte Schatz und ohne den
kam er kein Level weiter. Die schmalen Augenbrauen konzentriert zusammen
gezogen spähte Sylvester auf den Bildschirm und drehte die Figur langsam.
Das Deck war sauber, jetzt konnte er nur noch…
"Ray! Das Essen ist gleich fertig!"
Die lockende Stimme seiner Mutter ließ ihn zusammen fahren und Troy Harlem
gab aus Versehen einen Warnschuss ab. Eine Kiste am Rand zerfetzte und
Holzsplitter flogen herum. Ärgerlich schoss er auf den "Toten Seemann" der
sich aus den Trümmern erhoben hatte.
"Ray? Deckst du bitte schon einmal den Tisch?"
"Och man Mom! Ich bin gerade an der Kajüte!"
Ein zweiter Seeman erhob sich aus einem angeschossenen Faß und fiel gleich
darauf wieder zu Boden als Troy auf ihn feuerte.
"Die kannst du auch später noch ansehen. Komm deck bitte auf."
Sylvester verzog das Gesicht und feuerte auf die restlichen gestapelten
Kisten und Fässer aber kein verstorbener Seefahrer erhob sich mehr.
"Mom, ich hab keinen Bock den…"
"Doch hast du. Es gibt zum Kuchen dafür auch Kekse.“ Unterbrach sie ihn gut
gelaunt von unten. Der Zwölfjährige schnaufte missbilligend. Kekse gab es
jeden Tag, wenn er wollte. Und außerdem hatte er keine Lust dabei zu sein
wenn Julie, Catherine und Marleen zum Kaffee vorbei kamen um mit seiner
Mutter über irgendwelche uninteressanten Sachen zu sprechen.
"Ray?"
"Ich mach ja schon!"
Nachdem er Troy in den Standbymodus geschickt und das Spiel abgespeichert
hatte stand er auf. Dabei warf er die Wasserflasche um aber mit einem
flüchtigen Blick versicherte er sich das sie noch fest verschlossen war und
ließ sie liegen. Im Vorbeigehen schaltete er die Stereoanlage ein und die
Boxen des Computers aus. Miwako mochte es nicht, wenn zwei verschiedene
Lieder durch sein Zimmer hallten.
Sylvester sprang die Treppe herunter ohne auf den missbilligenden Blick
seiner Mutter zu achten. Miwako hatte immer Angst das er eines Tages mit den
bloßen Socken auf dem glatten Holz der Treppe ausrutschen würde.
"Muss ich beim Kuchen dabei sein Mom?" erkundigte er sich so beiläufig wie
möglich während er zwei Teller aus dem Schrank holte und Besteck aus der
Schublade zog. Seine Mutter antwortete nicht direkt sondern schob das
Brettchen zurecht auf das sie später die Auflaufform stellen würde. Dann
allerdings sah sie auf und lächelte.
"Natürlich nicht. Aber du weißt das es mich freuen würde."
Sylvester nickte stumm und schob noch zwei Gläser zu den Tellern bevor er in
den Vorratsraum ging um Saft und Wasser zum Trinken zu holen. Dann würde er
eben kurz dabei bleiben, sich Kekse mitnehmen und rauf gehen.
"Kommt Mike auch?" rief er fragend aus dem kleinen Vorratsraum heraus,
während er zwei Pakete Apfelsaft aus dem Regal zog. Mike war der Sohn von
Julie und in seinem Alter. Seine Mutter war in die Küche zurückgekehrt und
ihre Stimme klang gedämpft als sie antwortete. "Nein, ich glaube er ist mit
einem Freund in Urlaub. Tut mir leid Ray."
Mit den zwei Apfelsaftpaketen und einer Flasche Wasser unter dem Arm
richtete Sylvester sich auf. Dann schob er ein Paket entschlossen zurück auf
das Regal und verließ den Vorratsraum. "Macht ja nichts.."
Schulter zuckend stellte er die Getränke auf den Tisch und ließ sich auf
einen der Stühle fallen. Während Miwako die kleine Auflaufform auf den Tisch
stellte und dann die Topflappen zurück in die Küche brachte warf sie ihrem
Sohn einen mitfühlenden Blick zu.
"Das nächste Mal ist er sicher wieder da."
Sylvester sah zu der kleinen Frau auf und nickte, dann griff er nach dem
Apfelsaft und wechselte das Thema. "Kommt Dad heute wieder?"
Miwako schob ihm ihr Glas rüber bevor sie damit begann den Auflauf
vorsichtig aus der Form zu nehmen und ihnen beiden die Teller zu füllen. Sie
seufzte leise und antwortete nicht. Sylvester sah abwesend auf die
Kartoffeln und das andere Gemüse hinab. Das hieß sein Vater hatte nicht
gesagt wann er wieder kam. Nichts Neues eigentlich. Dann konnte er
wenigstens getrost sein Spiel weiter spielen. Bald wäre sowieso wieder
Schule und dann hatte er weniger Zeit. In Gedanken wieder auf die
Kapitänskajüte konzentriert griff er nach seiner Gabel und schob eine
Kartoffel nachdenklich quer über den Teller….
[Kapitel Drei: BATTLE NET . DE]
Januar 2004, Staten Island
BattleNet.de – Gate: American
Thursday, January 12, 2004, 01:42 AM
Queste: Baals Ebene – Stufe: Dämonisch
Warhawk hat ‘Baals Ebene’ betreten
TheMastermind hat ‘Baals Ebene’ betreten.
TheMastermind: Voll der Troll
Warhawk: FuzzieMage?
TheMastermind: Yes
>>TheMastermind bietet ihnen einen Pakt an.
>>TheMastermind gehört nun zu ihrer Partie.
Die Diener des Bösen werden stärker….
Warhawk: Thx
TheMastermind: Ist eh nurn lurker, der kommt gleich schnüffeln wetten? :-)
Warhawk: Was erwartest du auch? So intelligent wie der ist. :->
TheMastermind: Verdammt, mach das Biest da mal platt.
TheMastermind: thx
Warhawk: kU
TheMastermind: Yeah, der Pizzabote ist da! >g>
Warhawk: Bring mir was mit?
TheMastermind: Zu spät. >fg>
Warhawk :’(
TheMastermind: Gehen wir mal runter. Da ist Blutfang, den müssen wir killen.
TheMastermind: TKing und XSwordBeastX kommen später
Warhawk: Wie immer
TheMastermind: Wenn du pünktlich bist, yes :-D
Warhawk :-P
NecroAngel hat ‘Baals Ebene’ betreten
TheMastermind: Hi Süßer WauWau
NecroAngel: Schnauze James – hab ne Frage.
Warhawk: Worum gehts?
TheMastermind: Ja worum geht es dem kleinen Zuckerschnüttchen?
NecroAngel: KillBill hängt im Dungeon Lv.5 am Eisentor wie geht’s da weiter?
*James ignorier*
Warhawk: afaik muss er im Lv. 2 den blutigen Schlüsselbund mitnehmen. Den
hat der verrottende Schmied am Gürtel.
TheMastermind: Hatte er?
NecroAngel: Echt? Boah, dass ist ja voll weit zurück. *grummel*
NecroAngel: Danke! Bis morgen. *smile* Syl denk daran, dass wir später
haben, Susan hats schon verpeilt.
Warhwak: Hatte er und ja, ich denke daran. (Susan denkt nie an irgendetwas)
Warhawk: cu
TheMastermind cul8r
NecroAngel hat ‘Baals Ebene’ verlassen
TheMastermind: Er wird mich morgen umbringen.
Warhawk: Du hast es verdient. :-))
TheMastermind: !!
Warhawk: Reg dich ab und kümmer dich um das Gezeug da.
Warhawk: Du siehst Brad doch gar nicht
TheMastermind: Kümmer dich um den Bergtroll :-O
TheMastermind: Ne, seid Susan den an der Leine hat sieht man ihn gar nicht
mehr :-/
Warhawk: Eine Furie das Weib ;-)
TheMastermind: Das ist noch zu nett!!
TheMastermind: KillBill ist Susan
Warhawk: Stimmt
Warhawk: Wo bleibt TKing?
TKing hat ‚Baals Ebene’ betreten
Warhawk: Wenn man vom Teufel spricht.
TKing: Servus. Whats up?
TheMastermind: asap Blutfang
TKing: phat!
TKing: wartet
Warhawk: Geht nicht
TheMastermind gibt seinen Geist in die Klauen des Bösen…
TheMastermind: scheiße
TheMastermind wird von den Göttern eine neues Leben verliehen…
>>Sie bieten TheMastermind einen Pakt an.
>>TheMastermind gehört nun zu ihrer Partie.
Die Diener des Bösen werden stärker….
>>TKing bietet ihnen einen Pakt an.
>>TKing gehört nun zu ihrer Partie.
Die Diener des Bösen werden stärker….
TKing: Kill them!
TheMastermind: jetzt gibt’s saures >jeah>
Warhawk: Sprachs und stand wieder auf von den Toten
TheMastermind: :-P
[…]
TheMastermind: Pizza?
Warhawk: Heut Abend?
TKing: Salami!
XSwordBeastX: …
TheMastermind: Yeah. Heut Abend @ War
TKing: Also gleich
XSwordBeastX: muss off -> Klausur morgen
Warhawk: fällt dir früh ein
XSwordBeastX: Kanns eh nicht
TKing: Optimist was?
XSwordBeastX: realist
TheMastermind: Arme Kinder
TKing: luser @Master
Warhawk: Mathe?
XSwordBeastX: Neh Bio, scheiß fach
Warhawk: Thema?
XSwordBeastX: ka
Warhawk: Nicht so viel….
TheMastermind: Das gibt keine Punkte :-)) Minuspunkte!
XSwoardBeastX: Sehr witzig
TKing: Stell dich doch mal an
Warhawk: Und zwar ganz hinten.
TKing: roftl
TheMastermind: >lol>
XSwordBeastX: bin off
XSwordBeastX verlässt ‘Baals Ebene’
Die Diener des Bösen werden schwächer…
TheMastermind: Zicke
TKing: Zicker
Warhawk: Oder beides.
TKing: ?!
TheMastermind: Wer weiß…
TKing: Zocken wir noch?
Warhawk: Ich nicht.
TheMastermind: Auch nicht.
TKing: Langweiler
Warhawk: Neh, Menschen mit Schlafbedürfnis
TheMastermind: mehr oder weniger
TKing: Blabla
Warhawk: cu
TKing: cul8r
TheMastermind: cu
TheMastermind verlässt ‘Baals Ebene’
Die Diener des Bösen werden schwächer…
Warhawk verlässt ‘Baals Ebene’
Die Diener des Bösen werden schwächer…
TKing: So lonely…. Afk
TKing verlässt ‘Baals Ebene’
Die Diener des Bösen werden schwächer…
Anmk:
Warhawk: Sylvester
TheMastermind: James
[Kapitel Vier: DAS TELEFON]
April 2005, Manhatten
Es regnete und das triste Wolkenbild ließ kaum einen Sonnestrahl weit genug
durch, damit er die kleinen Räume hinter den Fenstern erhellen konnte.
Obwohl es erst früher Nachmittag war schalteten die Menschen das Licht ein.
Überall konnte man den Schein von Lampen und Glühbirnen hinter den
Fensterscheiben und Gardinen sehen. Auch Sylvester hatte das Licht
angeschaltet als es zunehmend dunkler wurde und er die Buchstaben kaum noch
erkennen konnte. Ein Gewitter lag in der Luft und das ganze Haus schien nur
auf den ersten Donner zu warten. Die Stille war beinahe unangenehm. Er war
daran gewöhnt die laute Musik von James noch über den Flur schallen zu hören
und das Trampeln der beiden Kinder aus der Wohnung über ihm. Jetzt konnte er
nur das leise Murmeln seines eigenen Fernseher hören der im Hintergrund lief
vermischt mit dem noch viel leiseren Surren der Kühlung vom Computer.
Die Beine in den Schneidersitz gezogen hatte er das Buch auf dem Schoß
platziert um die Hände für eine Tasse Kaffee und Salzstangen frei zu haben.
Als das Telefon schrill läutete hätte er beinahe den Kaffee über die Seiten
gekippt.
Skeptisch stellte er die Tasse zur Seite und auf den Boden ehe er mit der
freien Hand nach dem Telefon angelte, sich mit der anderen die verbliebene
Salzstange in den Mund schob und dann mit dem Ärmel den kleinen Fleck von
der Seite wischte. Er meldete sich schließlich ein wenig undeutlich.
"Siweser Fahlan.."
"Du sollst nicht mit vollen Mund reden Ray." Ermahnte ihn die dünne Stimme
seiner Mutter als Begrüßung. Sylvester richtete sich wieder auf und fischte
nach einem Lesezeichen um es zwischen die Seiten zu legen.
"Hi Mom. Schön das du anrufst."
"Schön dass du dran gehst. Ich habe schon Gestern zweimal versucht dich zu
erreichen."
"Ich war noch spät weg mit James und am Morgen hatte ich Schule."
Er konnte sie seufzen hören, während er das Buch zur Seite legte und die
Kaffeetasse wieder aufhob. Ein wenig der heißen Flüssigkeit war
übergeschwappt und bildete nun braune Flecken auf dem Parkett. "Mist…"
"Muss das den unter der Woche sein Ray? Was ist los?"
"Nichts Mom, ich habe nur etwas Kaffee verschüttet. Heute ist Samstag, ich
war also nur am Ende der Woche lange weg."
"Das gute Parkett. Es war Freitag und du brauchst deinen Schlaf. Du schläfst
doch genügend?"
Nun war es an ihm leise zu seufzen. Um den verräterischen Laut zu verbergen
nahm er einen kleinen Schluck von dem Kaffee.
"Natürlich schlafe ich genug. Hast du mich deshalb angerufen?"
"Natürlich nicht Ray. Ich weiß ja dass du auf dich aufpassen kannst, nur
manchmal mache ich mir eben ein bisschen Sorgen. Das verstehst du doch
oder?"
Durch das Telefon konnte er etwas rascheln hören. Sylvester vermutete das
sie wieder notorisch Papier von einer Seite des Tisches auf die andere
schob, so wie sie es immer tat wenn sie telefonierte.
"Natürlich verstehe ich das Mom. Erzähl mir warum du angerufen hast."
Er konnte sie praktisch lächeln sehen als er mit einem Fuß nach der Decke am
Ende der Couch angelte. Sie fiel hinunter und er stieß ein resigniertes
Schnauben aus bevor er sich aufrichtete um sie aufzuheben.
"Eigentlich wollte ich mich nur erkundigen ob du nächstes Wochenende nach
Hause kommst. Ich habe schon eingekauft. Es wird Kuchen geben und
Plätzchen."
Sylvester nickte obwohl sie es nicht sehen konnte während er die Decke
faltete und zurück legte, das Telefon zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt.
Als habe sie das Nicken gesehen fuhr seine Mutter mit ihrer dünnen Stimme
fort.
"Es sind diese Pefferplätzchen, weißt du? Die, die du damals mitgebracht
hast. Ich habe das Rezept gefunden. Ich würde mich wirklich freuen wenn du
das Wochenende bleiben würdest. Dein Zimmer ist aufgeräumt und es gefällt
mir nicht das es so leer ist. Und Ray…"
Sie zögerte und er konnte sie Luft holen hören. Papier raschelte wieder im
Hintergrund, sodass er unwillkürlich an den sortierten Arbeitsplatz seines
Vaters denken musste, den sie durch ihre Unruhe beim telefonieren oft
durcheinander brachte. Seine Mutter räusperte sich leise und brach das kurze
Schweigen.
"Also, dein Vater kommt auch Ray."
Erstaunt richtete er sich wieder auf und legte die gefaltete Decke über die
Lehne der kleinen Couch. Beinahe wäre er beim zurück treten über die
Kaffeetasse gestolpert, dann allerdings stellte er sie vorsorglich auf den
kleinen Beistelltisch. Vielmehr auf die dort gestapelten Bücher und
Zeitschriften.
"Hat er das gesagt?"
"Ja, das hat er. Gerade eben noch als ich nachgefragt habe. Er hat gesagt er
nimmt sich frei und ist ganz sicher da. Er hat sehr viel zu tun weißt du."
"Ich weiß Mom. Ich kenne Dad auch ein wenig."
Sie lachte leise und öffnete einen Kugelschreiber um auf einer der
Unterlagen selbstvergessen rumzukritzeln, auch das konnte er hören und sich
gut vorstellen.
"Ach ja, entschuldige."
"Schon okay. Wann soll ich denn da sein?"
"Kannst du Freitag Abend schon vorbei kommen? Dann koche ich uns beiden
was."
"Freitag ist schlecht, weil ich ziemlich lange in der Schule hocke und die
ganzen Aufgaben über das Wochenende lieber vorher erledigen möchte. Dann
muss ich das nicht zu Hause machen."
"Oh ja.. . Nagut dann kommst du Samstag Morgen nach dem Frühstück. Ich
kümmere mich um das Mittagessen. Dein Vater ist erst am Sonntag da. Ich weiß
noch nicht ob er mit uns frühstückt aber zum Kuchen kommt er."
Sylvester trat an der Couch vorbei auf das bodentiefe Fenster zu und schob
die blassen Vorhänge ein Stück zur Seite. Graue Nebelschleier begrüßten ihn
düster. Der beinahe leere Balkon sah ihm nass und griesgrämig entgegen. Er
lächelte.
"Schön, das freut mich. Dad war lange nicht mehr da."
"Ja, sehr lange. Sei ihm nicht böse, er hat sehr viel zu tun."
"Ich weiß. Einer muss das Geld verdienen."
"Wie recht du hast."
Ihr heiteres Lachen drang durch das Telefon. Das kratzen eines Stuhles
verriet ihm, das sie nicht im praktisch ungenutzten Arbeitszimmer seines
Vaters saß sondern am Tisch im Essraum.
"Soll ich noch irgend etwas mitbringen Mom?"
"Nur gute Noten."
"Ich liebe dich auch."
"Ich weiß. Pass auf dich auf, Ray, und mach deinem Vater und mir keine
Schande."
Langsam ließ er den dünnen Vorhang wieder zurück gleiten und drehte sich dem
Wohnzimmer zu. Das freundliche Licht der Tischlampen vertrieb die graue
Kälte aus dem Raum.
"Mir passiert nichts Mom. Hast du jemals etwas anderes erlebt?"
"Nein aber was nicht ist kann noch werden. Du meldest dich wenn irgendetwas
los ist?"
"Natürlich Mom. Wir sehen uns nächsten Samstag zum Mittag."
"Oder zum Brunch, ja. Ruf noch mal an bevor du kommst."
"Mache ich. Bye Mom."
"Bye Ray – oh und Ray?"
"Ja?"
"Wie geht es den Meersäuen?"
"Gut Mon, sie fressen und leben. Soll ich sie von dir grüßen?"
"Mach das. Pass auf dich auf. Bye."
"Wie immer. Bye."
Es machte leise Klick und dann erklang das andauernde Hupen was ihm sagte
das die Leitung wieder frei war. Nach einem kurzen Blick auf den kleinen
Hörer legte auch er auf. Dann stellte er das Handgerät zurück auf die
Ladestation und sah sich nachdenklich in dem Wohnraum um. Das Buch lag
vergessen auf der Couch und der Kaffee wurde kalt als er sich dem leise
surrenden Computer zuwandte. Sein Vater würde am nächsten Wochenende da
sein. Sylvester grinste vergnügt während er sich in den Ledersessel fallen
ließ und den Bildschirm anschaltete.
[Kapitel Fünf: DREI NACHRICHTEN]
September 2005, Manhatten
Sie haben drei ungelesene Nachrichten im Posteingang.
From:
JamesTheMaster@freenet.de
To: ClassicWater@redmoon.de
Sent: Monday, September 27, 2005 10:54 PM
Subject: Verräter an die Macht!
Sei gegrüßt mein untertänigster Nachbar!
Wo steckst du Hohlkopf? Es ist ja nicht zu fassen! Da köpfe ich meine beste
Flasche Wein nur für dich und du Nichtsnutz bist nicht da. :-o Und was mache
ich jetzt mit dem Zeug? Und der wertvollen Info? Hast schon richtig gehört –
ICH hätte dir was zu erzählen, wenn DU mal Zeit hättest. Also beweg deinen
Arsch gefälligst in meine Richtung. Klar? :-D
Ach scheiß drauf, ich erzähle es dir jetzt. Ich bin so verdammt stolz auf
mich! Ich meine wer sonst schafft es gleich in seinem zweiten Lehrjahr SO
einen Auftrag an Land zu ziehen? Kein Schwein!
Ich habe meinem netten Chefe schon unter die Nase gerieben, dass er sich
bedanken kann. Und was soll ich sagen? Der Wein geht auf den fetten Kerl.
Hey, der kann direkt sympathisch sein. Jedenfalls habe ich dafür gesorgt,
dass wir jetzt einen kompletten Partykeller aus irgend so einem Bonzenhaus
auseinander nehmen können und da alles neu vernetzen sollen. Voll krass was
die da alles haben wollen! Lichtorgeln sind da echt nur Peanuts. Habe ich
gesagt wie stolz ich auf MICH bin? Nein? Verdammt stolz! :’-)
Der verfluchte Keller hat die Größe von einem halben Einkaufszentrum. Man du
glaubst nicht was die da für Platz haben! Da könnten wir mit drei Etagen
komplett einziehen und hätten noch zusätzliche Räume. Echt cool. Wenn ich
die ersten Fotos und so habe zeige ich sie dir. Ich werds auf jeden Fall
dokumentieren, dass ist mal was für mein Album. Und wenn du dann endlich mal
wieder Zeit hast werden wir ne Flasche Wein da drauf köpfen. Ziemlich gut
das Gesöff, kann ich nur empfehlen.
Geht’s dir eigentlich mal wieder was besser oder bist du immer noch so
groggy? Schon klar, dir geht’s gut – nur GANZ so blind bin ICH nicht,
kapiert? Das letzte Mal als ich vorbei gekommen bin sahst du aus wie
ausgekotzt und noch mal durchgekaut. :-/ Glaub mir der Wein bringt dich
wieder auf die Beine. Das kommt davon weil du so lange vor der Kiste hockst.
Da fällt mir ein das wir mal wieder zocken müssen, klar? Mich juckts in den
Fingern wenn ich daran denke ein paar Zombies dick was auf die Schnauze zu
geben. ;-)
Machen wir sie platt!
Ach weißt du was? Ich komm heut Abend einfach mal vorbei. Scheiße, ich muss
seit 10min aus dem Haus sein. :-O
Bis Bald! ;-))
James – the Mastermind!
From: tBatM@toolbox.com
To: ClassicWater@redmoon.de
Sent: Monday, September 27, 2005 11:46 PM
Subject: Re: Augustanfang
hi syl,
schade das, dass treffen nicht klappen wird. macht aber nichts ich bin auch
noch unterwegs. mein derzeitiger chef (mr. blacksmith, dieser alte kerl) hat
mir noch zwei aufträge rein gehauen und ich weiß jetzt schon nicht mehr wo
mir der kopf steht. wir finden ganz bestimmt noch einen anderen termin.
(außerdem schreiben wir uns ja, da macht das weiter nichts). ich habe
derzeit viel mit internetauftritten zu tun, also wenn dieser jeremy cole
noch interesse hat soll er sich bei mir melden. was will er denn da haben?
(er klingt eher nach so einem schnösel der sich selber vorstellen will) ich
habe nicht viel zeit für irgendwelche kinkerlitzchen aber wenn er zahlt
sieht das anders aus. mein chef ist sowieso der meinung, dass es unklug ist
unbezahlte arbeit zu leisten und ich gebe ihm da (ausnahmsweise) mal recht.
(normalerweise würde ich mir lieber die zunge abbeißen als ihm recht zu
geben, er ist ein furchtbar langweiliger mensch)
wie geht es deinen eltern? meine grany stand vor zwei tagen überraschend vor
meiner tür. (sie kam echt ungelegen, weil ich mitten in einem script war)
sie hat immer noch angst, dass ich irgendwann auf der straße sitze weil ich
die schule nicht weiter mache. aber sie versteht auch nicht das die schule
einfach nur öde war. (sie ist da sehr einfach gestrickt wie du weißt,
wahrscheinlich auch nicht sehr klug aber was will man von alten menschen
erwarten?) sie mag mr. blacksmith weil sie gehört hat das er katholisch ist.
wie kann man so engstirnig sein? (katholisch und sehr konservativ, ich
glaube seine frau ist auch nur für den haushalt da. wenn er kinder hat dann
auch für die, aber wer bekommt heutzutage schon kinder?)
du hast geschrieben das deine mon ständig anruft. schaff dir einfach einen
anrufbeantworter an und tu so als wärst du nicht da. (mache ich auch wenn
grany mich wieder mal nervt. neuerdings fängt sie wieder an mich zu
bekochen.) ich finde sowieso das deine mom sich ziemlich anstellt aber ich
bekomme da wenig mit also zählt meine meinung nicht. (hindert mich ja nicht
daran es zu schreiben.)
wenn du rückenschmerzen hast (ich tippe da jetzt drauf weil ich davon
geschrieben hatte) dann hilft aufrecht sitzen und gerade liegen schon viel.
(ich muss es wissen) und bei kopfschmerzen sowieso nur schlafen. lass die
finger von tabletten ihr arztfreaks nehmt die viel zu gerne. Ansonsten
gewöhn dir an viel zu laufen. (ätzend wer will das schon? ich wird einen
teufel tun und mich so abstrampeln nur um dann zu schwitzen wie ein schwein)
ich muss langsam wieder an die arbeit, grüß die drei säue von mir und
tinkerbell. (dieses schwein hat schon wieder zugenommen, das ist eine fette
sau. sollte ich da mal nen zweites zusetzen jetzt wo barbarossa so lange tot
ist?)
grüße
lu
From: JeremyCole@j-cole.de
To: ClassicWater@redmoon.de
Sent: Monday, September 27, 2005 12:41 AM
Subject: Fw: Anatomie des Kleinhirns
Hallo Sylvester,
wie du siehst habe ich mit dieser Mal darauf geachtet direkt zu antworten.
Mir schien es als hätte dich meine verspätete Antwort ein wenig verärgert,
dabei habe ich erläutert weshalb ich einige Tage infolge wenig Zeit
erübrigen konnte. Selbstverständlich erwarte ich auch von dir, dass du
pünktlich antwortest. Bei diesen Thematiken ist es schlichtweg sinnlos lange
zu warten, denn sie bedürfen einer gewissen garantierten Aktualität. Deshalb
ist deine Verärgerung für mich kein Anlass zu weiteren Debatten.
Die genannten ISBN Nummern haben sich zum großen Teil als brauchbar
erwiesen. Auch wenn einige der Bücher meinem Standart nicht ganz
entsprechen, sie sind allerdings wohl gute Grundlektüren. Sobald ich mich
eingehender mit den einzelnen Bänden beschäftigt habe lasse ich dich wissen
wie gut und vernünftig sie sind oder wie brauchbar im Allgemeinen. Nur bei
zwei der Bände bin ich mir ziemlich sicher, dass sie auch dir keineswegs
gefallen würden. Inhaltlich mögen sie ganz nett sein aber das darin
behandelte Thema ist nur sehr oberflächlich und für uns nicht zu gebrauchen.
Das sind einmal die ISBN 3-527-30340-5 [Wiley-VCH] und die ISBN 37661-6333-7
[C.C.Bucher]. Lass die Finger davon, wenn du darüber nachdenken solltest sie
dir anzuschaffen. Das Lexikon der Biochemie indes halte ich für sehr
gelungen, auch wenn es meinen Themenbereich nur sehr speziell und chemisch
erläutert abgedeckt hält.
Das Studium läuft gut und ich denke mein Vater ist recht zufrieden mit mir.
Überhaupt meine ich in letzter Zeit eine erstaunlich gute Laune an ihm
wahrzunehmen. Ich befürchte es liegt daran, dass Grace, meine Mutter, sich
wieder auf einen Kurzurlaub zu ihrer eigenen Mutter begeben hat. Sie und
meine Großmutter [Mary Winston geb. Ryan] - habe ich dir je von ihr erzählt?
- werden sich vierzehn Tage lang in Schwärmereien über (fremde) Backkünste,
Tischdecken und die neusten Kostüme ergehen. Wenn ich mich recht entsinne
haben sie im letzten Sommer eine fatale Vorliebe für große und überhaus
geschmacklose Hüte entwickelt. Nun da Grace aus dem Haus ist und ihren Hund
mit sich genommen hat ist mein Vater wieder besser auf alles und jeden zu
sprechen. Robert kann Lulu, den sechsmonatigen Yorkshire Terrier von Grace,
nicht ausstehen. Ich persönlich halte diese Art von Hund für ziemlich
überflüssig. Noch dazu findet man überall auf der Kleidung diese lästigen
Haare. Allerdings würde ich für eine solche Lappalie keinen Streit mit Grace
anfangen, sie ist da sehr empfindlich und bekommt rasch Migräne.
Bevor sie gefahren ist hat sie sich nach dir erkundigt. Ich habe den Fehler
gemacht und ihr gegenüber am Abendtisch erwähnt, dass du ebenfalls an der
New York University studieren wirst. Sie ist ganz entzückt darüber,
erkundigt sich aber ob es wirklich zuträglich für dich ist oder ob du dich
womöglich übernehmen könntest. Robert ist ihr hernach regelrecht über den
Mund gefahren, dank seines Freundes und dessen Meinung über deinen Vater hat
er begonnen gegenüber Grace Stellung zu beziehen. Ich wage allerdings zu
bezweifeln das dies nur auf seinem guten Bild von dir beruht, es scheint mir
durchaus denkbar das sein schlechtes Bild von Grace und seine derzeitige
Abneigung ihr gegenüber eine weitaus größere Rolle spielen. Nichts für
ungut. Selbstverständlich stand ich auf deiner Seite und habe Grace am Ende
davon überzeugt, dass meine Bereitschaft mit die befreundet zu sein
natürlich nur deshalb derart hat reifen können weil ich davon überzeugt bin
dass du sowohl die Universität als auch das Studium erfolgreich hinter dir
lassen wirst. Scherz.
Ich werde nun noch einiges lernen und mich dann durch die neuen Bücher
arbeiten. Wenn du etwas neues hörst oder neue Veröffentlichungen bekannt
gegeben werden gib sie mir, wie immer, bitte durch. Ansonsten würde ich
Vorschlagen, dass wir uns demnächst noch einmal treffen. Ich hätte einen
Termin in vier Wochen vor Augen. An dem Samstag habe ich sehr wahrscheinlich
genügend Zeit, den genauen Termin gebe ich dir aber noch durch. Pete und
Marvin werden ebenfalls dabei sein.
Anbei habe ich dir noch einen Artikel gegeben, den ich kürzlich von Marvin
erhalten habe, vielleicht ist er auch für dich interessant.
Mit freundlichen Grüßen
Jeremy Cole
GENTECHNIK Reis-Erbgut ist entziffert
Ein internationales Forscherteam hat das Erbgut von Reis nahezu vollständig
erschlossen. Die Wissenschaftler hoffen jetzt, besonders ergiebige und
widerstandsfähige Sorten der Pflanze herstellen zu können - um künftig
Hungersnöte in weiten Teilen der Welt zu verhindern.
Es könnte ein Meilenstein in der Ernährungsforschung sein: Das Erbgut von
Reis, der große Teile der Weltbevölkerung ernährt, ist nahezu vollständig
entziffert. Die am meisten verbreitete Sorte mit dem Namen Oryza sativa
bestehe aus 37.544 Einzelgenen auf zwölf Chromosomen, schreiben die
Mitglieder des International Rice Genome Sequencinq Project (IRGSP) im
Wissenschaftsmagazin "Nature" (Bd. 436, S. 793). Damit hat Reis mehr Gene
als der Mensch, der zwischen 20.000 und 25.000 Erbfaktoren besitzt.
Die Ergebnisse, an denen Forscher aus zehn Ländern sechs Jahre lang
gearbeitet haben, könnten ein wichtiger Schritt zur Entwicklung neuer
Reissorten sein. Für mehr als die Hälfte aller Menschen ist Reis die
Grundlage des täglichen Überlebens. Mit den neuen Daten könnte die Zucht
besonders ertragreicher und widerstandsfähiger Sorten beschleunigt werden,
sagte Projektleiter Richard McCombie. So könne der wachsende Nahrungsbedarf
der Weltbevölkerung gedeckt werden.
Reis ernährt laut den Vereinten Nationen täglich rund drei Milliarden
Menschen. Die weltweite Produktion wurde in den vergangenen 30 Jahren
verdoppelt, doch bis 2025 wird damit gerechnet, dass 4,6 Milliarden Menschen
von Reis als Nahrungsmittel abhängig sein werden. Um diese Nachfrage zu
decken, müsste die Produktion nochmals um 25 Prozent steigen.
Das IRGSP-Team hat 95 Prozent des Erbguts sequenziert, darunter nahezu alle
DNA-Bausteine der Reispflanze, die Gene bilden. Zwar gab es bereits zuvor
Sequenzentwürfe, die einen ersten Einblick in das Reisgenom erlaubten. Doch
die neue, viel bessere Auflösung der nun vorgestellten Erbgutsequenz
ermögliche es, die Funktion weiterer wichtiger Gene zu identifizieren,
schreiben die Forscher. Die Gensequenz ist öffentlich in der GenBank der
amerikanischen National Institutes of Health zugänglich.