Loss
Einst verlor er die ungeborenen Kinder, fand eines von ihnen in
einem Reagenzglas in den Kellern einer namhaften Einrichtung des Pharmagiganten
Melion Pharma wieder. Die dortige Kreatur wurde geschlagen, doch sie ist nicht
die einzige ihres Schlages. So mehren sich die Verluste im Leben eines jungen
Silberfanges...
In
Jadons Traumfeldern, nach dem Ballonflug. Etwas weht vor seinem Gesicht, rhythmisch auf und ab, auf und ab, wie wogendes, feinstes Gras im Wind oder feinste Algen unter Wasser... nur, dass dieses Gras schwarz ist. Nach einer Weile erweitert sich sein Sichtfeld, fügt dem sanften Wogen eine glatte, lebendige gelbbraune Landschaft hinzu... und wenig später erkennt er den geschwungenen Pferdehals, als sich das Bild weiter von ihm entfernt. So kann er letztlich den ganzen falben Wallach erkennen, im versammelten Galopp durch den Schnee preschend, sodass dieser fein unter seinen Hufen zerstäubt. Wie tausend Lichterfunken wirkt das Gestöber im rotgoldenen Licht der aufgehenden Sonne und zeichnet eine Palette warmer Farben in das Gesicht der Reiterin, die auf dem Pferderücken hockt. Alyona. Der Moment ist so friedlich, so still - ein einzelnes Auge - so vollkommen wirkt dieser Morgen - ein einzelnes Auge, es schwimmt - und vielleicht wird er eines Tages noch vollkommener sein, wenn sie nicht mehr allein reitet... ein einzelnes Auge, es schwimmt in einem Glas... Das friedliche Bild beginnt zu flackern, als dazwischen für wenige Wimpernschläge lang andere Eindrücke aus der Vergangenheit die Ruhe, den Frieden darin aufbrechen... schließlich verschwindet das Bild des galoppierenden Pferdes für eine Weile gänzlich, als Jadon nochmals mit Bildern aus der Vergangenheit konfrontiert wird. Er riecht wieder den trockenen, scharfen Geruch des schummrigen Raumes mit seinen zig Regalen und Gläsern, aus denen Jadon so viele Augen entgegen geblickt hatten... offene Augen, gesichtslose Augen und solche, die sich noch nicht einmal geöffnet hatten. Wie die Augen seines Welpen. Er hört das leise Lachen einer sanften, bedächtigen Stimme, sieht das schmale, fein geschnittene und makellose Gesicht mit den durchdringenden, hellgrünen und so eigenartig kalten Augen, den geschmeidigen, gewellten ebenholzfarbenen Haaren. Im nächsten Moment hat er wieder den Wallach vor Augen, der sich mit einem schrillen Wiehern aufbäumt, während Blut nach allen Seiten spritzt. Die Reiterin kann sich oben halten, geht allerdings mit dem Pferd zu Boden, als es stürzt, versinkt mit ihm in wirbelndes Weiß, das sich nun vermehrt mit Rot vermengt. Blut überflutet das Land und Jadons Traumsicht, als er aus den Augen verliert was dort geschieht... und erwacht. Jadon 's Traum... oder Vision, wie er sie nur zu oft hat, ist geprägt von einem schweißglänzendem Gesicht, dass sich auf dem durchnässten Kopfkissen hin und her wälzt. Hinter den Lidern bewegen sich die Augen rasch hin und her, das weiße Haar ist inzwischen strähnig feucht, völlig zerzaust vom beständigen umherwälzen. Seine Lippen sind leicht geöffnet, um den raschen Atem in kurzen Stößen immer wieder hervorzupressen, als würde er sich gerade im Langstreckenlauf üben. Rasch senkt sich sein mächtiger Brustkorb auf und ab, deutlich zu sehen unter der halb zurück geschlagenen Decke. Diese Bilder... das Gras, das sich im Wind wiegt, aber gar kein Gras ist, sondern dieser Wallach... sein Welpe, schon wieder wird er gequält mit seinem toten Anblick, den er kaum ertragen kann. Warum immer muss er sie sich immer wieder ansehen, diese Bilder... warum nur wird er immer wieder damit gequält. Doch als ob das nicht bereits genug wäre, Alyona, die offenbar stürzt und sich verletzt... Kaum begreift er, was geschehen ist, richtet er sich schlagartig in seinem Bett auf, mit geweiteten, fiebrig glänzenden Augen und einem Luftholen, als hätte er zu lange getaucht und als wäre ihm der Atem ausgegangen. Er greift sich an den Hals, während sein Puls rast... er hat beinahe das Gefühl, als würde er ersticken. Er hasst sie, diese Ansätze von Visionen, die jetzt schon kaum zu ertragen sind... doch was sollte erst später werden, wenn er... Er verscheucht den Gedanken und kann des öfteren noch nicht unterscheiden, ob es nur ein Traum oder etwas bedeutungsschwereres war. Ohne jedoch Zeit zu verlieren zieht er sich an, rast dann hinaus um das Anwesen zu verlassen und in Lupus zu wechseln... er versucht, eine Spur von dem Pferd aufzunehmen, mit dem Alyona geritten sein könnte... wenn keine da ist, dann war es nur ein Traum... Als er hinaus läuft, da kann er sehen, wie die Sonne aufgeht, in diesem rotgoldenen, intensiven Ton, den er bereits "vor kurzer Zeit" gesehen hat. Nur, dass er hier mehr von dem runden Gesicht sehen kann, das sich über den Rand des Horizontes schiebt, als es in dem Traum der Fall gewesen ist. Bei den Stallungen fällt es ihm nicht schwer, eine Spur aufzunehmen... und als er dort läuft, wo auch Alyona gelaufen ist, scheinen kleine Eindrücke und Empfindungen durch ihn hindurch zu gehen, sich in ihn zu stehlen, als hätte er selbst so empfunden. Das Gefühl von warmen, glattem Fell unter seiner Haut. Ein sonderbar beruhigendes Gefühl, als sich die Wölbungen der Pferdemuskeln unter der Handfläche abzeichnen, als diese am Körper des Pferdes entlang streicht. Ein Schnauben an seinem Ohr, das Kitzeln eines weichen Pferdemaules. Der Geruch von Leder, ein knarzendes Geräusch. Geklirr von Zaumzeug. Er meint große Zerrissenheit zu spüren, die sich nach und nach in den Hintergrund stellt und durch einen tauben Frieden, eine taube Ruhe erfüllt wird. Eine Geschlossenheit in sich selbst, in der nur noch die Momente mit diesem Tier Platz haben. Frieden... Die Pferdespuren sind gut in der glatten Schneedecke zu erkennen, scheinen direkt auf die aufgehende Sonne zuzuführen Jadon runzelt halb die Wolfsstirn, so gut es eben in dieser Gestalt möglich ist, als ihn die Empfindungen in die Sinne kommen, die Alyona wohl gespürt haben muss. So etwas hatte er noch nie, etwas durch einen Geruch nachzuempfinden... es ist neu für ihn und erschreckt ihn, wie empathisch er doch veranlagt ist... offenbar weitaus mehr, als er dachte. Und irgendwie macht es ihm Angst. Rasch schnobert die schwarze, scharfe Nase dicht über dem Boden entlang, als er dann beginnt, wie ein Fährtenhund die Spur aufzunehmen und sie zu verfolgen, dabei galoppierend und die Nase immer dicht über dem Schnee. Er musste sie finden... und er hoffte, dass nicht das eingetreten war was sein Traum ihm vormachen wollte So läuft Jadon... und läuft und läuft. Er kann sehen, wie sich die Spuren verändern, als das Pferd die Gangart geändert haben muss, schließlich wohl in Galopp gefallen ist. Es dauert eine Weile, bis er am Horizont einen dunklen Fleck erkennen kann, doch er bewegt sich nicht. So kann er näher und näher kommen, doch schon lange bevor er heran ist, kann er das schrille Gewieher hören... einen Laut, wie er ihn noch nie gehört hat. Mehr ein lang gezogener Schrei... ein letztes Aufbegehren gegen die Umarmung des Letzten Dunkels. Vermischt mit einem anderen aus Verzweiflung- Alyona. Der Wind trägt Jadon noch ein flehendes ".... auf damit!!" zu, dann verstummen die Schreie des Pferdes Jadon 's lange Sätze werden immer weiter und schneller... so rasch wie er kann bewegt er sich auf diesen Fleck zu, die Ohren flach an den Kopf gelegt, während sich der muskulöse Körper im weiten Ausgreifen immer wieder zusammen zieht und spannt, dabei die Hinterläufe weit vor die Vorderläufe setzend, um dann wieder auseinander zu springen, wie eine Sprungfeder. Der Fang ist geöffnet, die Zunge flattert seitlich heraus und ist im kalten, schneidenden Wind inzwischen beinahe gefroren. Er ruft ihren Namen, etwas, was sie wohl nicht verstehen wird... und rennt auf sie zu, um zu sehen, was geschehen ist Er riecht das Blut schon lange, hat das Krachen und Reißen von Knochen gehört. Als er nah genug heran ist, taucht er in den zerwühlten und geröteten Schnee ein. Der falbe Wallach mit der fast schwarzen Mähne liegt wie eine zerstörte Insel inmitten des roten Sees, Brust und Hals zerrissen, der Schädel zerbissen. Daneben eine große, muskulöse Gestalt- durch lange Beine sehr hoch in der Schulter, aber dennoch schmäler als die meisten Hispos. Er würde rabenschwarz wirken, würde nicht das junge Sonnenlicht klar enthüllen, dass sein Pelz von einem satten, sehr dunklen und seidigen Braun ist. Ein ebenmäßiges Wolfsgesicht, von Blut ebenso gerötet wie der dichte Brustpelz und die Vorderläufe blickt Jadon aus sehr eindringlichen, kalten hellgrünen Augen entgegen, und Jadon hat das Gefühl, er hätte diesen Blick schon einmal auf sich gefühlt. Er hat eine Pranke auf Alyonas Brust stehen, die den zugehörigen Vorderlauf mit beiden Händen umfasst hat und sichtlich darum bemüht ist, ihn wieder von sich herunter zu bekommen... ein letzter Blick zu Jadon, als der weiße Lupus heran prescht, dann legt der Fastschwarze den Kopf leicht schief, senkt in einer anmutigen und gelassenen, beinah zärtlichen Bewegung den Kopf- und beißt ihr kurzerhand die Kehle durch, nun da sie ihren Zweck als Lockmittel erfüllt hat Jadon 's Augen weiten sich, als er ihn sieht, diesen See aus Blut... Man würde meinen, ein Wolfsgesicht könnte keine menschlichen Emotionen zeigen, doch in seinem Fall widerlegt es diese Vermutung, denn blankes Entsetzen und schiere Angst ist in ihm zu sehen, Angst um sie und ihr Leben... berechtigte Angst, wie sich zeigt, und als er diesen Bastard erkennt, da scheint sich beinahe schlagartig irgendwas in seinem Kopf "klick" zu machen und einfach auszusetzen. Da ist er, dieses verhasste Objekt, das ihm alles genommen hatte was ihm lieb war, und nun auch noch das Letzte... mit einem krachenden Geräusch und einem wilden Aufheulen, das einem das Blut in den Adern gefrieren lassen könnte, stürmt im nächsten Moment ein mächtiger Crinos mit zum Schlag erhobenen Pranken und weit aufgerissenem Fang auf ihn zu. Schnee stiebt vor und hinter ihm auf, als sich die riesigen Hinterpranken mit sichelförmigen, elfenbeinfarbenen Klauen durch den Schnee wühlen... und im gleichen Augenblick wirkt er wie jemand aus längst vergangenen Zeiten, wie jemand, vor dem man einfach nur den Kopf senken kann, weil man den Anblick nicht erträgt. So ist es auch das ungemein grelle, weiße Leuchten, das von seinem gleichfarbigen Pelz ausgeht und von innen heraus zu kommen scheint, wie eine Flamme, wie ein weißes, blendendes Flammenleuchten oder -flackern... Blazeflare. Wieder wird seine Gestalt unwirklich, leicht durchscheinend, als wäre er nicht wirklich da, so dass man die Umrisse der Bäume in seinem Körper erkennen kann, die sich hinter ihm befinden. Von maßlosem Zorn gepeitscht will er ihn zerfetzen, diesen elenden Bastard, der ihm alles genommen hat... Beinahe wie in Zeitlupe scheint der andere zurück zu treten... richtet sich auf, während seine Knochen und Muskeln sich verwandeln, sodass wenig später ein Crinos an seiner Statt steht- und auf den Jadon zuhält. Zwei, drei Meter vor ihm prallt der Cliath mit voller Wucht scheinbar gegen eine unsichtbare Stahlwand, sodass er zurück taumeln muss durch den eigenen Schwung, den er dabei inne hatte... während auch der Dunkle bei Jadons Anprall kurz etwas zu taumeln scheint und einen Hinterlauf zurück setzt, um im Gleichgewicht zu bleiben. Der Theurg kann erkennen, dass er sich geirrt hat... dieser Bursche hier mag dem, für den er ihn hält, wohl verblüffend ähnlich sehen, aber es ist nicht ein und der gleiche. Der, den er meint, kann nicht leben, hat ihn doch sein Vater getötet... spätestens, als der andere die Stimme erhebt, ist sich Jadon sicher, dass dieser hier ein anderer ist, denn seine Stimme, obwohl genauso ruhig und bedächtig, wirkt heller, jünger... und hat einen merkwürdig klagenden, wispernden Tonfall inne. "Das Leuchten, das Strahlen hat ihn zerfressen, den Bruder, den meinen, meine Liebe, mein Leben...", weht die verloren wirkende Stimme im Wind. "Das Toben, das deine, wird enden, wenn du sie wieder triffst, die deinen... im Ende allen Beginns, wo Macht und Zorn verloren sind, in der alten Heimat... Wehe dir, der du mir das Unheil gebracht hast, so soll es vermehrt auf dich zurück fallen..." Jadon taumelt dann zurück und grollt kurz auf, da er sich den Fang bzw. die Nase heftig geprellt hat. Für einen Moment kneift er die Augen zusammen, dann beginnt er wie ein Besessener auf diese unsichtbare Mauer einzuschlagen, mit Pranken und Klauen... versucht auch wohl vergebens, immer wieder hinein zu beißen. Die Worte vernimmt er nur zur Hälfte, wie durch einen Schleier... den Schleier des Zorns. Und ob er das nun ist oder nicht, spielt keine Rolle... er hat sie getötet, das ist Grund genug, um ihn in alle Einzelteile zu zerfetzen. Irgendwann taumelt er ein paar Schritte zurück, reißt den Fang auf und brüllt ihm entgegen, das irgendwie wie nicht mehr von dieser Welt klingt... Speichelfäden ziehen sich dabei von den unteren zu den oberen Fängen, während die Klauen gekrümmt sind, zitternd, voller Wut. "Komm da raus, du elender, feiger Wurm!! Ich reiß dich in Stücke, ich zieh dir deine verwyrmte Haut von den Knochen!!!" Vermutlich war er noch niemals zuvor so außer sich, so außer Kontrolle... so zornig, er, der normalerweise immer die Ruhe selbst zu sein scheint. Ein rötlicher Glanz huscht über die nun beinahe leeren, weißen Augen, die genauso durchscheinend wirken wie seine gesamte Erscheinung Jadon würde es momentan mit Zhyzhak selbst aufnehmen, es könnte auch sein Vater da stehen oder sonst wer... es wäre ihm gleich Der Dunkle scheint selbst bis zum äußersten gespannt, während Jadon die unsichtbare Mauer traktiert... er dreht die Ohren nach hinten, während der Blick starr auf den Theurgen geheftet ist, vielmehr in einem Ausdruck höchster Konzentration durch ihn hindurch geht. Als der Cliath ablässt, entspannt er sich wieder, und abermals kriechen ihm seine Worte über das Rückgrat hinunter wie Tropfen eiskalten Wassers. "Meine Knochen liegen blank, der Herr hat sie entblößt, verstößt seine Kinder in seiner eigenen neuen Haut... mein Fleisch zerfällt, so verschlinge ich das deine..." Er bleibt reglos, nur sein Blick wird wieder starr, lässt die Pupillen in einem hellen Aufglühen verschwinden, und als ein unmerklicher Ruck durch seinen Körper geht, da scheint Jadon wie aus dem Nichts ein gewaltiger Schlag am Schädel zu treffen Jadon hält nichts von diesen verrückten, leeren Worten dieser... Kreatur, und so taumelt er stöhnend ein paar Schritte etwas grotesk zur Seite, als ihn der Schlag trifft. Er schüttelt kurz den Kopf, das facht die Glut des Zorns in ihm nur noch mehr an, peitscht sie hoch wie Öl, das ins Feuer gegossen wird. Mit einem wilden Aufschrei springt er wieder auf ihn zu, um ihn anzugreifen, wohl nur, um wieder diese Wand zu traktieren wie ein Berserker, mit dröhnendem Schädel Jadon: Feiges Schwein!! Komm da gefälligst raus und KÄMPFE!!! Verrückt... trifft es vermutlich. Diesmal lässt er ihn heran kommen, zumindest weiter als zuvor, doch abermals wird Jadon von einem wuchtigen Hieb getroffen- dieses Mal reißt er ihm allerdings die Beine fort Jadon fällt dann wohl in den Schnee, bleibt dort zitternd vor Wut einige Momente liegen, schlägt dann die geballte Faust, soweit es eben mit den Klauen geht, wuchtig in den Boden, um mit gefletschten Zähnen kurz in den Schnee zu starren, während sich sein Brustkorb heftig hebt und senkt... je nach dem, wo er genau getroffen wurde, wird er wohl humpeln, doch aufgeben? Oh nein... [...] Jadon
schnaubt... toll, wirklich toll. Manchmal fragt er sich, ob er in seinem
Vorzeichen fehl gegangen ist, so was ist ja nicht mehr normal. Wütend
wechselt er wieder in Lupus, um schnellst möglichst zurück zu diesem
Abschaum zu gelangen |