Loss

 

Einst verlor er die ungeborenen Kinder, fand eines von ihnen in einem Reagenzglas in den Kellern einer namhaften Einrichtung des Pharmagiganten Melion Pharma wieder. Die dortige Kreatur wurde geschlagen, doch sie ist nicht die einzige ihres Schlages. So mehren sich die Verluste im Leben eines jungen Silberfanges...
 

In Jadons Traumfeldern, nach dem Ballonflug.
Etwas weht vor seinem Gesicht, rhythmisch auf und ab, auf und ab, wie wogendes, feinstes Gras im Wind oder feinste Algen unter Wasser... nur, dass dieses Gras schwarz ist. Nach einer Weile erweitert sich sein Sichtfeld, fügt dem sanften Wogen eine glatte, lebendige gelbbraune Landschaft hinzu... und wenig später erkennt er den geschwungenen Pferdehals, als sich das Bild weiter von ihm entfernt. So kann er letztlich den ganzen falben Wallach erkennen, im versammelten Galopp durch den Schnee preschend, sodass dieser fein unter seinen Hufen zerstäubt. Wie tausend Lichterfunken wirkt das Gestöber im rotgoldenen Licht der aufgehenden Sonne und zeichnet eine Palette warmer Farben in das Gesicht der Reiterin, die auf dem Pferderücken hockt. Alyona.
Der Moment ist so friedlich, so still -
ein einzelnes Auge
- so vollkommen wirkt dieser Morgen -
ein einzelnes Auge, es schwimmt
- und vielleicht wird er eines Tages noch vollkommener sein, wenn sie nicht mehr allein reitet...
ein einzelnes Auge, es schwimmt in einem Glas...

Das friedliche Bild beginnt zu flackern, als dazwischen für wenige Wimpernschläge lang andere Eindrücke aus der Vergangenheit die Ruhe, den Frieden darin aufbrechen... schließlich verschwindet das Bild des galoppierenden Pferdes für eine Weile gänzlich, als Jadon nochmals mit Bildern aus der Vergangenheit konfrontiert wird.
Er riecht wieder den trockenen, scharfen Geruch des schummrigen Raumes mit seinen zig Regalen und Gläsern, aus denen Jadon so viele Augen entgegen geblickt hatten... offene Augen, gesichtslose Augen und solche, die sich noch nicht einmal geöffnet hatten.
Wie die Augen seines Welpen.
Er hört das leise Lachen einer sanften, bedächtigen Stimme, sieht das schmale, fein geschnittene und makellose Gesicht mit den durchdringenden, hellgrünen und so eigenartig kalten Augen, den geschmeidigen, gewellten ebenholzfarbenen Haaren.

Im nächsten Moment hat er wieder den Wallach vor Augen, der sich mit einem schrillen Wiehern aufbäumt, während Blut nach allen Seiten spritzt. Die Reiterin kann sich oben halten, geht allerdings mit dem Pferd zu Boden, als es stürzt, versinkt mit ihm in wirbelndes Weiß, das sich nun vermehrt mit Rot vermengt. Blut überflutet das Land und Jadons Traumsicht, als er aus den Augen verliert was dort geschieht... und erwacht.
Jadon 's Traum... oder Vision, wie er sie nur zu oft hat, ist geprägt von einem schweißglänzendem Gesicht, dass sich auf dem durchnässten Kopfkissen hin und her wälzt. Hinter den Lidern bewegen sich die Augen rasch hin und her, das weiße Haar ist inzwischen strähnig feucht, völlig zerzaust vom beständigen umherwälzen. Seine Lippen sind leicht geöffnet, um den raschen Atem in kurzen Stößen immer wieder hervorzupressen, als würde er sich gerade im Langstreckenlauf üben. Rasch senkt sich sein mächtiger Brustkorb auf und ab, deutlich zu sehen unter der halb zurück geschlagenen Decke. Diese Bilder... das Gras, das sich im Wind wiegt, aber gar kein Gras ist, sondern dieser Wallach... sein Welpe, schon wieder wird er gequält mit seinem toten Anblick, den er kaum ertragen kann. Warum immer muss er sie sich immer wieder ansehen, diese Bilder... warum nur wird er immer wieder damit gequält. Doch als ob das nicht bereits genug wäre, Alyona, die offenbar stürzt und sich verletzt... Kaum begreift er, was geschehen ist, richtet er sich schlagartig in seinem Bett auf, mit geweiteten, fiebrig glänzenden Augen und einem Luftholen, als hätte er zu lange getaucht und als wäre ihm der Atem ausgegangen. Er greift sich an den Hals, während sein Puls rast... er hat beinahe das Gefühl, als würde er ersticken. Er hasst sie, diese Ansätze von Visionen, die jetzt schon kaum zu ertragen sind... doch was sollte erst später werden, wenn er... Er verscheucht den Gedanken und kann des öfteren noch nicht unterscheiden, ob es nur ein Traum oder etwas bedeutungsschwereres war. Ohne jedoch Zeit zu verlieren zieht er sich an, rast dann hinaus um das Anwesen zu verlassen und in Lupus zu wechseln... er versucht, eine Spur von dem Pferd aufzunehmen, mit dem Alyona geritten sein könnte... wenn keine da ist, dann war es nur ein Traum...
Als er hinaus läuft, da kann er sehen, wie die Sonne aufgeht, in diesem rotgoldenen, intensiven Ton, den er bereits "vor kurzer Zeit" gesehen hat. Nur, dass er hier mehr von dem runden Gesicht sehen kann, das sich über den Rand des Horizontes schiebt, als es in dem Traum der Fall gewesen ist.
Bei den Stallungen fällt es ihm nicht schwer, eine Spur aufzunehmen... und als er dort läuft, wo auch Alyona gelaufen ist, scheinen kleine Eindrücke und Empfindungen durch ihn hindurch zu gehen, sich in ihn zu stehlen, als hätte er selbst so empfunden.
Das Gefühl von warmen, glattem Fell unter seiner Haut. Ein sonderbar beruhigendes Gefühl, als sich die Wölbungen der Pferdemuskeln unter der Handfläche abzeichnen, als diese am Körper des Pferdes entlang streicht.
Ein Schnauben an seinem Ohr, das Kitzeln eines weichen Pferdemaules.
Der Geruch von Leder, ein knarzendes Geräusch. Geklirr von Zaumzeug.
Er meint große Zerrissenheit zu spüren, die sich nach und nach in den Hintergrund stellt und durch einen tauben Frieden, eine taube Ruhe erfüllt wird. Eine Geschlossenheit in sich selbst, in der nur noch die Momente mit diesem Tier Platz haben.
Frieden...

Die Pferdespuren sind gut in der glatten Schneedecke zu erkennen, scheinen direkt auf die aufgehende Sonne zuzuführen
Jadon runzelt halb die Wolfsstirn, so gut es eben in dieser Gestalt möglich ist, als ihn die Empfindungen in die Sinne kommen, die Alyona wohl gespürt haben muss. So etwas hatte er noch nie, etwas durch einen Geruch nachzuempfinden... es ist neu für ihn und erschreckt ihn, wie empathisch er doch veranlagt ist... offenbar weitaus mehr, als er dachte. Und irgendwie macht es ihm Angst. Rasch schnobert die schwarze, scharfe Nase dicht über dem Boden entlang, als er dann beginnt, wie ein Fährtenhund die Spur aufzunehmen und sie zu verfolgen, dabei galoppierend und die Nase immer dicht über dem Schnee. Er musste sie finden... und er hoffte, dass nicht das eingetreten war was sein Traum ihm vormachen wollte

So läuft Jadon... und läuft und läuft. Er kann sehen, wie sich die Spuren verändern, als das Pferd die Gangart geändert haben muss, schließlich wohl in Galopp gefallen ist. Es dauert eine Weile, bis er am Horizont einen dunklen Fleck erkennen kann, doch er bewegt sich nicht. So kann er näher und näher kommen, doch schon lange bevor er heran ist, kann er das schrille Gewieher hören... einen Laut, wie er ihn noch nie gehört hat. Mehr ein lang gezogener Schrei... ein letztes Aufbegehren gegen die Umarmung des Letzten Dunkels. Vermischt mit einem anderen aus Verzweiflung- Alyona.
Der Wind trägt Jadon noch ein flehendes ".... auf damit!!" zu, dann verstummen die Schreie des Pferdes
Jadon 's lange Sätze werden immer weiter und schneller... so rasch wie er kann bewegt er sich auf diesen Fleck zu, die Ohren flach an den Kopf gelegt, während sich der muskulöse Körper im weiten Ausgreifen immer wieder zusammen zieht und spannt, dabei die Hinterläufe weit vor die Vorderläufe setzend, um dann wieder auseinander zu springen, wie eine Sprungfeder. Der Fang ist geöffnet, die Zunge flattert seitlich heraus und ist im kalten, schneidenden Wind inzwischen beinahe gefroren. Er ruft ihren Namen, etwas, was sie wohl nicht verstehen wird... und rennt auf sie zu, um zu sehen, was geschehen ist

Er riecht das Blut schon lange, hat das Krachen und Reißen von Knochen gehört. Als er nah genug heran ist, taucht er in den zerwühlten und geröteten Schnee ein. Der falbe Wallach mit der fast schwarzen Mähne liegt wie eine zerstörte Insel inmitten des roten Sees, Brust und Hals zerrissen, der Schädel zerbissen.
Daneben eine große, muskulöse Gestalt- durch lange Beine sehr hoch in der Schulter, aber dennoch schmäler als die meisten Hispos. Er würde rabenschwarz wirken, würde nicht das junge Sonnenlicht klar enthüllen, dass sein Pelz von einem satten, sehr dunklen und seidigen Braun ist. Ein ebenmäßiges Wolfsgesicht, von Blut ebenso gerötet wie der dichte Brustpelz und die Vorderläufe blickt Jadon aus sehr eindringlichen, kalten hellgrünen Augen entgegen, und Jadon hat das Gefühl, er hätte diesen Blick schon einmal auf sich gefühlt.
Er hat eine Pranke auf Alyonas Brust stehen, die den zugehörigen Vorderlauf mit beiden Händen umfasst hat und sichtlich darum bemüht ist, ihn wieder von sich herunter zu bekommen... ein letzter Blick zu Jadon, als der weiße Lupus heran prescht, dann legt der Fastschwarze den Kopf leicht schief, senkt in einer anmutigen und gelassenen, beinah zärtlichen Bewegung den Kopf- und beißt ihr kurzerhand die Kehle durch, nun da sie ihren Zweck als Lockmittel erfüllt hat
Jadon 's Augen weiten sich, als er ihn sieht, diesen See aus Blut... Man würde meinen, ein Wolfsgesicht könnte keine menschlichen Emotionen zeigen, doch in seinem Fall widerlegt es diese Vermutung, denn blankes Entsetzen und schiere Angst ist in ihm zu sehen, Angst um sie und ihr Leben... berechtigte Angst, wie sich zeigt, und als er diesen Bastard erkennt, da scheint sich beinahe schlagartig irgendwas in seinem Kopf "klick" zu machen und einfach auszusetzen. Da ist er, dieses verhasste Objekt, das ihm alles genommen hatte was ihm lieb war, und nun auch noch das Letzte... mit einem krachenden Geräusch und einem wilden Aufheulen, das einem das Blut in den Adern gefrieren lassen könnte, stürmt im nächsten Moment ein mächtiger Crinos mit zum Schlag erhobenen Pranken und weit aufgerissenem Fang auf ihn zu. Schnee stiebt vor und hinter ihm auf, als sich die riesigen Hinterpranken mit sichelförmigen, elfenbeinfarbenen Klauen durch den Schnee wühlen... und im gleichen Augenblick wirkt er wie jemand aus längst vergangenen Zeiten, wie jemand, vor dem man einfach nur den Kopf senken kann, weil man den Anblick nicht erträgt. So ist es auch das ungemein grelle, weiße Leuchten, das von seinem gleichfarbigen Pelz ausgeht und von innen heraus zu kommen scheint, wie eine Flamme, wie ein weißes, blendendes Flammenleuchten oder -flackern... Blazeflare. Wieder wird seine Gestalt unwirklich, leicht durchscheinend, als wäre er nicht wirklich da, so dass man die Umrisse der Bäume in seinem Körper erkennen kann, die sich hinter ihm befinden. Von maßlosem Zorn gepeitscht will er ihn zerfetzen, diesen elenden Bastard, der ihm alles genommen hat...
Beinahe wie in Zeitlupe scheint der andere zurück zu treten... richtet sich auf, während seine Knochen und Muskeln sich verwandeln, sodass wenig später ein Crinos an seiner Statt steht- und auf den Jadon zuhält. Zwei, drei Meter vor ihm prallt der Cliath mit voller Wucht scheinbar gegen eine unsichtbare Stahlwand, sodass er zurück taumeln muss durch den eigenen Schwung, den er dabei inne hatte... während auch der Dunkle bei Jadons Anprall kurz etwas zu taumeln scheint und einen Hinterlauf zurück setzt, um im Gleichgewicht zu bleiben.
Der Theurg kann erkennen, dass er sich geirrt hat... dieser Bursche hier mag dem, für den er ihn hält, wohl verblüffend ähnlich sehen, aber es ist nicht ein und der gleiche. Der, den er meint, kann nicht leben, hat ihn doch sein Vater getötet... spätestens, als der andere die Stimme erhebt, ist sich Jadon sicher, dass dieser hier ein anderer ist, denn seine Stimme, obwohl genauso ruhig und bedächtig, wirkt heller, jünger... und hat einen merkwürdig klagenden, wispernden Tonfall inne.
"Das Leuchten, das Strahlen hat ihn zerfressen, den Bruder, den meinen, meine Liebe, mein Leben...", weht die verloren wirkende Stimme im Wind. "Das Toben, das deine, wird enden, wenn du sie wieder triffst, die deinen... im Ende allen Beginns, wo Macht und Zorn verloren sind, in der alten Heimat... Wehe dir, der du mir das Unheil gebracht hast, so soll es vermehrt auf dich zurück fallen..."
Jadon taumelt dann zurück und grollt kurz auf, da er sich den Fang bzw. die Nase heftig geprellt hat. Für einen Moment kneift er die Augen zusammen, dann beginnt er wie ein Besessener auf diese unsichtbare Mauer einzuschlagen, mit Pranken und Klauen... versucht auch wohl vergebens, immer wieder hinein zu beißen. Die Worte vernimmt er nur zur Hälfte, wie durch einen Schleier... den Schleier des Zorns. Und ob er das nun ist oder nicht, spielt keine Rolle... er hat sie getötet, das ist Grund genug, um ihn in alle Einzelteile zu zerfetzen. Irgendwann taumelt er ein paar Schritte zurück, reißt den Fang auf und brüllt ihm entgegen, das irgendwie wie nicht mehr von dieser Welt klingt... Speichelfäden ziehen sich dabei von den unteren zu den oberen Fängen, während die Klauen gekrümmt sind, zitternd, voller Wut. "Komm da raus, du elender, feiger Wurm!! Ich reiß dich in Stücke, ich zieh dir deine verwyrmte Haut von den Knochen!!!" Vermutlich war er noch niemals zuvor so außer sich, so außer Kontrolle... so zornig, er, der normalerweise immer die Ruhe selbst zu sein scheint. Ein rötlicher Glanz huscht über die nun beinahe leeren, weißen Augen, die genauso durchscheinend wirken wie seine gesamte Erscheinung
Jadon würde es momentan mit Zhyzhak selbst aufnehmen, es könnte auch sein Vater da stehen oder sonst wer... es wäre ihm gleich
Der Dunkle scheint selbst bis zum äußersten gespannt, während Jadon die unsichtbare Mauer traktiert... er dreht die Ohren nach hinten, während der Blick starr auf den Theurgen geheftet ist, vielmehr in einem Ausdruck höchster Konzentration durch ihn hindurch geht.
Als der Cliath ablässt, entspannt er sich wieder, und abermals kriechen ihm seine Worte über das Rückgrat hinunter wie Tropfen eiskalten Wassers.
"Meine Knochen liegen blank, der Herr hat sie entblößt, verstößt seine Kinder in seiner eigenen neuen Haut... mein Fleisch zerfällt, so verschlinge ich das deine..."
Er bleibt reglos, nur sein Blick wird wieder starr, lässt die Pupillen in einem hellen Aufglühen verschwinden, und als ein unmerklicher Ruck durch seinen Körper geht, da scheint Jadon wie aus dem Nichts ein gewaltiger Schlag am Schädel zu treffen
Jadon hält nichts von diesen verrückten, leeren Worten dieser... Kreatur, und so taumelt er stöhnend ein paar Schritte etwas grotesk zur Seite, als ihn der Schlag trifft. Er schüttelt kurz den Kopf, das facht die Glut des Zorns in ihm nur noch mehr an, peitscht sie hoch wie Öl, das ins Feuer gegossen wird. Mit einem wilden Aufschrei springt er wieder auf ihn zu, um ihn anzugreifen, wohl nur, um wieder diese Wand zu traktieren wie ein Berserker, mit dröhnendem Schädel
Jadon: Feiges Schwein!! Komm da gefälligst raus und KÄMPFE!!!
Verrückt... trifft es vermutlich. Diesmal lässt er ihn heran kommen, zumindest weiter als zuvor, doch abermals wird Jadon von einem wuchtigen Hieb getroffen- dieses Mal reißt er ihm allerdings die Beine fort
Jadon fällt dann wohl in den Schnee, bleibt dort zitternd vor Wut einige Momente liegen, schlägt dann die geballte Faust, soweit es eben mit den Klauen geht, wuchtig in den Boden, um mit gefletschten Zähnen kurz in den Schnee zu starren, während sich sein Brustkorb heftig hebt und senkt... je nach dem, wo er genau getroffen wurde, wird er wohl humpeln, doch aufgeben? Oh nein...

[...]

Jadon schnaubt... toll, wirklich toll. Manchmal fragt er sich, ob er in seinem Vorzeichen fehl gegangen ist, so was ist ja nicht mehr normal. Wütend wechselt er wieder in Lupus, um schnellst möglichst zurück zu diesem Abschaum zu gelangen
Jadon .oO(das gibts einfach nicht, du verdammter Idiot!)
Da hat er sicher eine halbe Stunde zu laufen... während besagter Abschaum zumindest den Anstand hatte, zu warten, nachdem es ihm nicht möglich gewesen ist, den Verschwundenen zu finden. So hat er sich die Zeit damit vertrieben, sich zu stärken, wie man an dem ziemlich geschrumpften Pferd erkennen kann... Alyona wirkt auch etwas angeknabbert, aber die hat ihm offenbar nicht geschmeckt. Als er Jadon einmal mehr heran fegen sieht, schluckt er den letzten Bissen hinunter und prescht Jadon dann entgegen- allerdings in Crinos
Jadon grollt und wechselt seinerseits mit einem Krachen in Crinos, hebt die Pranken zum Schlag und fletscht die langen Fänge, um ihn entgegen zu kommen... wenigstens ist er nicht abgehauen, das feige Aas. Dass er Alyona auch noch halb angefressen hat, macht ihn beinahe rasend... nein, nicht beinahe, nun ist es wohl geschehen um seine Beherrschung, als die Augen in ein tiefes Blutrot getaucht werden und er blindlings auf seinen Gegner zustürmt... irgendwann hilft selbst die beste Beherrschung nichts mehr, mal abgesehen davon dass er sich auch gar nicht beherrschen will

Und so prallen die beiden Gestalten aufeinander... ein roter Schemen, mehr ist es nicht, was Jadon vor Augen hat. Ein roter Schemen, der sich seinem Zorn, seinen Angriffen entwindet, immer knapp bevor er ihn zu erwischen scheint... um ihn durch die Luft zu wirbeln, ihn Schnee fressen zu lassen, als würde er mit ihm den Boden aufwischen. Jadon kommt sich vor, als würde er Schlagabtausche mit der Luft vollführen- heißes Öl in den Flammen seines lodernden und beinahe überschnappenden Zornes.
Dann, endlich, verhakt sich der Schemen mit dem Theurgen, und im Nu besudelt nun auch ihrer beider Blut den Schnee, fliegen Fellbüschel durch die Luft wie Löwenzahnsamen, und Knochen krachen berstend. Jadon spürt nichts von den gegnerischen Angriffen, noch nicht, nur einen Stoß, ein Festhalten hier und da, während sich seine Klauen und Fänge endlich befriedigend in Fleisch und Blut des anderen versenken können. Er weiß nicht, wie lange es dauert, doch er wird müde- doch dann, als er den leichteren Crinos einmal mehr von sich schleudert, bleibt der reglose Schemen liegen und regt sich nicht mehr, bietet seinem ermüdenden Zorn keinen Anhaltspunkt mehr. Seine Beine brechen unter ihm weg, sodass er selbst in den Schnee fällt... und scheinbar für ein paar Momente das Bewusstsein verliert. Als er wieder zu sich kommt, spürt er jeden einzelnen Knochen, und er glaubt, sich nicht mehr bewegen zu können, ohne vor Schmerz wahnsinnig zu werden. Er kann sie spüren, die Schwelle vor der er steht... wird im nächsten Moment des Erwachens von einer Welle an Sinneseindrücken überschwemmt, als ihm sein Körper jede einzelne Wunde meldet. Der rechte Hinterlauf zerbissen, der Knochen halb zermalmt. Seinem linken Oberarm fehlt beinah der ganze Bizeps, sodass er den Arm nicht mehr beugen kann, und die schmerzende Kälte, das windige Gefühl an seinem Bauch macht deutlich, dass es in seinen geöffneten Bauch hinein zieht, aus dem ein wenig Gedärm hervor schimmert. Neben den zahlreichen über seinen ganzen Körper verteilten Klauen- und Beißspuren hockt eine weitere ernst zu nehmende Verletzung seitlich an seinem Hals, wo ihn ein gegnerischer Schlag, ein wenig weiter zur Kehle hin, wohl das Leben gekostet hätte, das nun gerade in beständigen Blutströmen seinen Körper verlässt.
Er liegt nicht weit von der Pferde- und Menschenleiche entfernt... ebenso unweit fort liegt ein dunkles, blutiges zerfetztes Bündel. Ein toter Lupus.
Jadon kommt dann wohl irgendwann wieder zu sich... mehr tot als lebendig, so dass er eine ganze Weile braucht um zu begreifen, was geschehen ist. Die körperlichen Qualen und Schmerzen sind nur halb so schlimm wie die in seinem Inneren... er hustet röchelnd und erstickt, als Blut aus seinem Fang quillt, als hätte man eben in eine prall gefüllte Blase an einer Ferse gestochen. Eine Pranke krampft sich zusammen, zitternd, blutig, irgendwo im Schnee. Er spürt, wie es immer wärmer um ihn herum wird, als das Blut aus seinem Hals in den Schnee sickert, es zum schmelzen bringt... und aus allen anderen Wunden ebenfalls der rote Lebenssaft entweicht, als hätte er zuviel davon. Er versucht, sich unter lautem Stöhnen und zusammen gebissenen, gefletschten Zähnen zu der Menschenleiche hin zu bewegen, doch es geht nicht... keine Kraft mehr, keine Kraft. Schließlich bleibt er liegen während er meint, dass sich sein Geist immer mehr aus seiner stofflichen Hülle zu lösen scheint... wie ein mit Helium gefüllter Ballon, der sanft gen Himmel steigt, um irgendwo in dessen Weiten zu verschwinden und... frei zu sein. Doch irgend etwas hält ihn noch dort, in der zerfetzten, einstmals so stolzen Hülle, die nun nicht mehr ist als ein Haufen blank gelegten Fleisches. Sein Wille, nicht zu sterben... nicht sterben zu dürfen, nicht aufzugeben, solange es noch Hoffnung gibt. Doch gibt es die...? Er hat keine Kraft, um nach Hilfe zu heulen... nicht einmal die Kraft, um den Kopf zu heben. Keine Stimme, kein Laut kommt über seine zerschundenen, besudelten Lefzen, als sie ihm krächzend den Dienst versagen. In einer Zeitlupenbewegung bettet er den Kopf wieder in den Schnee, mit starr gerade aus gerichtetem Blick... er hatte alles verloren, würde er nun auch sich selbst verlieren? Er wollte es nicht, doch seine Kräfte schwanden mit jeder Sekunde... mit jedem Tropfen mehr, der aus seinem Körper floss. Irgendwann, beinahe lautlos, flüstert er den Namen seines Numens... in dem Wissen, dass er ihn so vermutlich nicht hören wird. Doch vielleicht... wird er aufgepasst haben, wie damals, als er die läufige Wölfin traf. Vielleicht... denn das ist seine letzte Hoffnung, die immer mehr erlischt, wie eine Kerze deren Flamme immer kleiner wird, weil der Docht nichts mehr hat, wovon er zehren kann
Es scheint sich nichts zu regen, nichts zu tun. Jadons Sinne schwinden, zwei Welten scheinen sich zu vermengen, als er irgendwann den hellen Schrei eines Raubvogels hören kann. Er glaubt sie zu sehen, weiße Wölfe, wie sie über ein endloses Schneefeld laufen, vier an der Zahl, drei etwas aufgefächert und versetzt hinter dem, der voran läuft. Weiße Wölfe... erste Wölfe an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Wieder gibt es aufstiebenden Schnee, diesmal vor den Wolfspfoten. Irgendwann sind sie bei ihm, senken die Köpfe, und er spürt wie ihn ihre Auren streifen, so machtvoll, rein und klar, wie er sie an noch niemanden hatte wahrnehmen können. Dann wenden sie sich ab, lassen ihn zurück, lassen ihn dort im Schnee liegen mit all dem Tod, und er kann ihnen nicht hinterher, kann nicht laufen wie sie, so geschmeidig, so anmutig...
Stimmengewirr, als sich die beiden Welten wieder trennen und er wieder klarer wird, als ein Ziehen die Schmerzen vertreibt, sie letztlich durch ein wohltuendes, stärkendes Gefühl ersetzt.
"Jadon."
Es ist kein Wolfsgesicht, in das er nun blicken kann, sondern ein menschliches... jenes des Fürsten.
Jadon 's Blick flackert etwas, als er sie sieht... die weißen Wölfe, urtümlich, rein und so klar... wie es keiner mehr hier ist, nicht sein Vater, nicht der Fürst, nicht er. Wie mickrig er sich fühlt, wie schmutzig ihnen gegenüber. Es ist beschämend... es ist.... Er winselt, als sie wieder fortlaufen, will ihnen hinterher, will mit ihnen gehen, doch er kann nicht. Nur langsam öffnen sich seine Augen, nur einen winzigen Spalt breit... und nur am dem feuchten, glasigen Spalt kann man sehen, dass er das Gesicht des Fürsten wohl irgendwie wahrnimmt

Er ist mittlerweile offenbar in Lupus... zumindest fühlt sich sein Körper danach an, und er kann die Hand des alten Theurgen spüren, wie sie ihm in warmen, beruhigenden Berührungen über den Kopf und den Hals entlang streicht. "Sie sind fort, und für dich ist es noch lange nicht an der Zeit, ihnen zu folgen", kann er sanft hören, obwohl er sich noch nicht gänzlich sicher ist, ob es der Fürst gewesen ist, der da gerade gesprochen hat... oder jemand anderes
Jadon erwidert nichts darauf... nur ein leises Winseln entsteigt seiner Kehle, so gern wäre er mit ihnen gelaufen, um... eins mit ihnen zu sein. Man spürt, wie traurig er darüber ist, und irgendwann hebt er leicht den Kopf, um sich müde umzublicken... die Ohren seitlich herabhängend, ebenso wie die Tasthaare, wirkt er wie jemand, der am liebsten einfach wieder einschlafen würde
Er liegt wohl noch dort, wo er zuvor gelegen hat, auch wenn nur noch die Blutspuren im Schnee Zeugnis von den jüngsten Geschehnissen hier sind... sonst ist es beinahe "leer" hier, hier scheinen nur noch die beiden Sichelmonde zu sein.
Und Jadons Numen, das ein Stück weiter entfernt im Schnee hockt und ihn mit leicht zur Seite geneigtem Kopf etwas einäugig anblickt.
Der alte Theurg bleibt noch kurz bei Jadon hocken. "Du musst wieder aufstehen, Jadon. Ich konnte dir dein Leben nur bewahren, doch leben... musst du es selbst, so sehr auch Verlust es im Moment überschatten mag."
Jadon legt den Kopf wieder hin... und schließt die Augen. Es wirkt nicht so, als wolle er wieder aufstehen... als hätte er noch die innerliche Kraft dazu. Für ein paar Momente will er auch einfach nicht mehr. Doch was wäre er, würde er einfach liegen bleiben, so rappelt er sich in einer unendlich müden und trägen Bewegung wieder auf, um wortlos Richtung Anwesen zu trotten. Die Rute leblos am Boden schleifend und der Kopf gesenkt, schleicht er kraftlos und ohne jede Anmut oder Geschmeidigkeit in diese Richtung
...

<< Eindrücke