Verehrt und angespieen


Abseits des Kerkers birgt die Festung Ravensee wahrlich große Geheimnisse...
 

Schließlich landet er in einer großen Halle, dessen hohe Decke in mehrere Kuppeln unterteilt worden ist. Wenn er den Blick hebt wird er sehen, dass jede Kuppel eine eigene Geschichte schreibt, denn sie sind voll von vergangen, alten Bildern... verblasst und doch so lebendig, so dass er das Gefühl hat, in diese alten Bildnisse hinein zu tauchen; die Schlachtrufe zu hören, das Waffengeklirr, die Todesschreie...
Unglaubliche Bestien und völlig widernatürliche, drachenartige Wesen kann er erkennen, sowie ein Meer aus polierten, glänzenden Rüstungen, die auf diese Bestien einzustürmen scheinen. Eine Kuppel weiter ist ein Mann zu sehen, kniend, blutend, und das Heft eines Schwertes aus der Brust ragend. Eine Hand ist gen Himmel gerichtet, ebenso wie der flehend wirkende und doch von Zorn erfüllte Blick. Eine Kuppel weiter ein undeutlicher Umriss eines Vogels, der einen stilisierten Falken darstellt, der seine mächtigen Schwingen über eine Festung zu halten scheint, die gerade von schwarzen Wellen überrannt werden zu scheint. Eine Festung, die er sehr gut kennt und dessen Umrisse er auch schon mehr als einmal gesehen hat. Die Kuppeln werden getragen von mächtigen, dicken Säulen, in dessen Stein unzählige Namen in Amharm geritzt worden sind. Manche sind besonders hervorgehoben, manche wiederum scheinen fast verblasst.
In der Halle stehen an die zehn Rüstungen. Alt, aber nicht verstaubt, stehen sie dort, als würden sie jeden Augenblick beginnen, sich von ihren Plätzen zu lösen und auf ihn zuzugehen. Jede von ihnen ist einzigartig, besitzt eigene Beulen, Scharten, Male der Vergangenheit, und jede von ihnen hält in der eisernen Faust eine Waffe. Meistens sind es Schwerter, wie Alaricus sie noch nie gesehen hat. Mit Runen überzogen, riesig und auf seltsame Art völlig rein wirkend. Manche leere Panzerhandschuhe ruhen wiederum auf mächtigen Streitäxten, Morgensternen oder Kampfstäben.
Er kann noch eine riesige, zweiflüglige Tür sehen, direkt gegenüber des Ganges. Diese ist allerdings verschlossen, auch wenn sie verlockend aussieht, so spürt er, dass seine Zeit noch nicht gekommen ist, sie zu durchschreiten.
"Wähle, Alaricus... wähle...." wispert die Stimme in dem sanft aufkommenden Wind, der ihn wieder umschmeichelt und sein Haar fliegend lässt.
Alaricus ist ganz aus dem Gang herausgetreten, nachdem er gesehen hat, dass ihn hier nichts und niemand überraschen wird... und setzt ein paar Schritte in die Halle hinein, lässt erst einen taxierenden Rundumblick über die Wände, Rüstungen und das Tor gleiten, ehe seine Augen an ihnen hinaufwandern und sich der Betrachtung der Kuppeln zuwenden... er legt den Kopf in den Nacken, wobei sich seine Lippen staunend leicht öffnen, während er sich im Kreis dreht und all die Dinge betrachtet, die es dort oben zu sehen gibt. Er versinkt lange Zeit in ihrer Betrachtung, und ein leichtes, aufgeregtes Kribbeln läuft ihm über den Rücken, als er meint, er würde diese Bilder nicht nur sehen, sondern erfühlen können, als wäre er mittendrin, als habe er selbst erlebt, was dort oben abgebildet ist. Voller Ehrfurcht betrachtet er sich die Schlachtszenerie, diese gewaltigen Bestien, gegen die das einstürmende Heer winzig wirkt und versucht sich vorzustellen, wie es gewesen sein musste... einer unter ihnen zu sein, inmitten dieser Masse, im Kampf gegen diese drachenartigen Ungeheuer. Seine Brauen ziehen sich etwas zusammen, als er das Bildnis des Mannes entdeckt, der da wie in einer letzten Bitte oder vielmehr Forderung nach Hilfe und Beistand die Hand dem Himmel entgegenreckt... vielleicht ein Krieger, der einst rechtens war und durch Verblendung fallen musste? Vermutlich jedoch etwas ganz anderes... Am längsten verweilt er schließlich unter der Kuppel, welche die Festung zeigt... wohl jene, die ihm zur Heimat geworden ist. Er verspürt ein leichtes Ziehen in seinem Inneren bei dem Anblick der gegen die Gemäuer anstürmenden Massen und fragt sich zugleich, was in der Vergangenheit bereits alles geschehen sein muss... welche Geschichte ihm die stummen Kuppeln erzählen wollen, und es drängt ihn danach, mehr darüber zu erfahren, diese Vergangenheit zu enthüllen. Er hebt leicht eine Hand, als wollte er sie nach der unerreichbaren Kuppel ausstrecken, lässt sie dann jedoch wieder sinken... Nach langer Weile senkt er den Blick wieder und tritt an eine der Säulen heran, um sich die Namen zu betrachten, die Hand darauf zu legen, als könnte er so erspüren, was hinter ihnen steckt. Er geht um zwei, drei dieser Säulen herum, dabei die Hand darüber streichen lassend, ehe er das Augenmerk zu diesen Rüstungen hin wendet und ihre Reihen abgeht... sich deren Beulen und Scharten betrachtet und sich ausmalt, was sie verursacht haben könnte, welche Geschichte dahinter steht. Doch noch viel mehr interessieren ihn die gewaltigen Waffen, vor allem die sonderbaren Schwertklingen, die er respektvoll betrachtet, ohne auf den Gedanken zu kommen, auch nur eine einzige davon zu berühren. Beinahe etwas unruhig huscht sein Blick etwas umher, als die Stimme abermals zu ihm spricht, und das erste Mal richtet er das Wort an diesen seltsamen Wind. "Wählen...?", etwas zögernd, denn was sollte er hier wählen... doch nicht etwa solch eine Rüstung oder Waffe? Wozu auch, diese mächtigen Waffen hätten vielleicht in die Hand seines Vaters oder des Fürsten gepasst, aber doch weniger in seine, wie er fand...
"Wähle, Kind des Falken... wähle..." ertönt wieder die wispernde Stimme, und eine Windböe schubst ihn sanft in Richtung der Rüstungen. Seine Hand hebt sich wie von selbst, als würde sie gesteuert... und irgend etwas sagt ihm, dass es nun an ihm ist, an welche der zehn Rüstungen er nun seine Hand legt.
Alaricus zuckt kurz mit einem Mundwinkel, während sich seine Hand ohne sein Zutun hebt... eigenwilliges Ding, aber hier unten scheint sich nichts so zu verhalten, wie es sich verhalten sollte.... die Wahl, denn er hat wohl keine andere Wahl als zu wählen, fällt ihm nicht allzu leicht, aber auch nicht allzu schwer.... denn jede Rüstung, die mit einer anderen Waffe als einer schwertartigen Klinge versehen ist, fällt bereits einmal weg. Und von den übrigen... ist er am ehesten dazu geneigt, jene zu wählen, die ihn in ihrer Besonderheit am ehesten anspricht, was wohl eine rein subjektive Wahl ist und die Beurteilung nach Tauglichkeit in seinen Maßstäben leicht zurückdrängt....

Alaricus:
*bevor er jedoch tatsächlich die Hand an eine der Rüstungen legt, ruft er sich zu ein wenig mehr Sachlichkeit und prüft Rüstungen und Waffen kurz, versucht sie einzuschätzen... bis er schließlich in Übereinstimmung mit seinem Gefühl letztlich die gewählte Rüstung berührt... mit einer Vorsicht, als bestünde sie aus papierdünnem Glas*
Schließlich, als er sich eine Rüstung wählt und seine flache Hand an das kalte, von Scharten durchzogene Eisen legt, ist ihm, als würde er einen enormen Schlag auf den Kopf erleiden, allerdings mehr geistiger Natur. Ihm wird schwindlig, alles scheint sich zu drehen, zu drehen, zu drehen... immer weiter und weiter; die Halle, die Rüstungen, die Säulen, alles scheint in diesem Wirbel zu verschwinden, undeutlich und nichtig zu werden. Etwas scheint mit klammen Fingern nach seiner Seele zu greifen, sie eine Weile lang zu halten, zu wiegen wie eine Mutter ihr Kind, sie zu streicheln... doch dann, völlig unerwartet, dieser unglaubliche Schmerz in seinem Inneren, als würden diese klammen Finger mit aller nur erdenklicher Macht zudrücken, um jene Seele für immer zu zermalmen.
Dann ist es dunkel.
Ihm ist, als würde er fallen und fallen, tiefer hinein in dieses endlose, schwarze Loch, das kein Ende zu nehmen scheint. Nichts als Schwärze, nichts als Dunkelheit und nichts als dieses Gefühl, zu fallen und zu fallen. Er weiß nicht, wie lange dieser Zustand anhält, er weiß nicht, ob es Minuten, Stunden oder gar Tage sind.
Doch dann wieder dieser Wirbel, dieses Gefühl, sich zu drehen und zu drehen, stetig und unaufhörlich, und das Dunkel beginnt sich zu lichten. Der Wirbel wird langsamer, die Drehungen verebben, endlich.... endlich Ruhe. So müde, so erschöpft... und ihn dürstet es nach Schlaf, nichts als Schlaf.

Dieses beständige, anhaltend platschende Geräusch eines Wassertropfens macht ihn wahnsinnig. Wieso musste dieses Geräusch da sein, warum konnte er nicht einfach schlafen. Und dann das Quieken... das Geräusch kennt er. In der Festung gibt es mehr als genug davon. Diese kleinen, haarigen Biester, die überall zu sein schienen und ständig als wuselnde Schatten durch die Burg huschen um sich von dem zu ernähren, was die Menschen unachtsam liegen lassen.
Und dann meint dieses freche Ding auch noch, ihn seines letzten Schlafes zu berauben, den er doch so dringend nötig hatte, in dem es einfach mal an seiner Nase testet, ob er vielleicht essbar wäre. Der Schmerz holt ihn nun gänzlich aus diesem dämmrigen Zustand, und als er die Augen aufschlägt steigt ihm unwillkürlich der modrige Geruch von Fäkalien, verfaultem Wasser und anderen, undefinierbaren Dingen entgegen.
Stroh. Er liegt tatsächlich auf altem, modrigem Stroh, so dreckig, dass es bereits eine einzelne Masse bildet und zwischen seinen Fingern klebt. Nur wenig Licht dringt von einer Fackel außerhalb seines Wirkungskreises zu ihm herüber... außerhalb deshalb, weil er sich in einer Zelle befindet und nicht an sie rankäme, selbst wenn er wollte.
Alaricus bleibt keine Zeit mehr, auch nur den geringsten Laut von Überraschung oder Schmerz auszustoßen, dafür geht wohl alles zu schnell... zu rasch scheint er in diesem Wirbel zu ertrinken, zu rasch fällt er... zu rasch verliert er sich in der Dunkelheit, die ihn nun umfängt und jeglichen Zeitgefühls beraubt. Umso erleichterter ist er, als ihn dieser neuerliche Wirbel aufzufangen scheint, ihn aus dem Dunkel holt... ihn schlafen lässt, damit er diese plötzliche Erschöpfung überwinden kann. Doch war er nun zum Schlafen gekommen oder doch nicht...? Dieses entnervende Geräusch... plink, plink, plink. Er zuckt mit einem Ohr und knurrt dann kaum hörbar, aber deswegen nicht minder unwillig. Was hatte dieses Wassergetropfe hier verloren? Er legt sich einen Arm so übers Gesicht, dass er sein Ohr bedeckt und das Geräusch ein wenig abmildert. Quieken... ein Quieken? Moment mal... was war hier eigentlich los? Im nächsten Moment fährt er mit einem hellen, wölfischen Laut auf, als ihn dieses kleine Biest in die empfindliche Nase beißt, und fegt wie mit einer Pranke in einer unwirschen Bewegung über den Boden. Widerlich... was klebt ihm denn da zwischen den Fingern? Mit einem Blinzeln fällt sein Blick auf das gammelige, verdreckte Stroh, auf dem er liegt, und er hebt mit einem zusammengekniffenen Auge einen Arm, lässt dabei die Hand hängen wie ein Stück widerwärtigen Unrats, als würde sie gar nicht zu ihm gehören. Er schnaubt kurz etwas verächtlich, bevor er sich so setzt, dass er die Hände nicht mehr auf dieses Stroh aufsetzen muss... und sieht sich dann um. Wo war er hier eigentlich gelandet...? Eben war er doch noch in der Halle gewesen... oder nicht? Er wirft einen kurzen Blick an sich hinunter, hebt ihn dann jedoch wieder und lässt den Blick durch diese Zelle schweifen, in der er mit einem Mal liegt
Erst jetzt bemerkt Alaricus dieses furchtbare Gefühl in seinem Bauch. Hunger. Dieses Loch in seinem Magen ist so groß, dass er sich überlegt, nicht diese verdammte, biestige Ratte dort, die sich gerade am Unrat gütlich tut, zu vertilgen.
Aber da ist nicht nur dieser schreckliche Hunger und die trockene Kehle. Seine Glieder schmerzen, allesamt, und ihm ist als hätte man jeden Knochen einzeln gebrochen. Dennoch fühlt er sich von einer seltsamen Macht durchströmt; einer Macht, die dem Geist des Welpen fast die Sinne raubt. Aber das Gefühl verfliegt schnell, und er gewöhnt sich rasch daran, so dass es zu einem hintergründigem Gefühl wird. Was sind das für Kleider... eine weiße Tunika, bestickt mit einer edlen, silbernen Borte, eine ebenso weiße Leinenhose... nun ja, weiß ist nicht ganz richtig. Grau, blutbefleckt und abgerissen würde es vermutlich eher treffen. Nur noch Lumpen, einst edel und nun nicht mehr als ein spöttischer Kontrast zu dem, was sie einmal waren.
Und diese Hände... was sind das für Hände. So groß und sehnig, vernarbt sind sie. Die Hälfte des rechten, kleinen Fingers fehlt, doch er meint, dass ihn das nicht stört. Dann diese langen, weißen Haare, die ihm auf die Brust hinabhängen, durchsetzt von dünnen, geflochtenen Zöpfen. Doch sind sie strähnig, schmutzig, von Blut verklebt.
Seine Brust, muskulös und ausgeprägt, so dass sie seine Tunika gut ausfüllt, die Arme stämmig und ebenso von Muskeln geprägt, die Beine lang, sehnig und kraftvoll.
Doch sein Bein... sein Bein schmerzt so unglaublich. Ein beständiges, brennendes und pochendes Gefühl in seinem Oberschenkel, und als er einen Blick auf jenen wirft, kann er den verklebten und gammeligen Verband sehen, der um die Hose gewickelt worden ist.
Alaricus hat bei dem vorigen Blick an sich hinunter wohl noch nicht so recht gesehen, denn erst einmal schielt er aus verengten Augen eine verdächtig lange Weile in Richtung der Ratte, beobachtet jede noch so kleine ihrer Bewegungen, das Zucken ihrer Nase, ihrer Tasthaare, das flinke Nagen und Huschen. Er fährt sich kurz mit der vom Durst schweren Zunge über die spröden Lippen und spannt sich etwas, schiebt sich bereits ein wenig nach vorne, als würde er zum Sprung ansetzen... bemerkt dabei gar nicht, wie ihm ein paar der für ihn eigentlich zu langen Haare über eine Schulter nach vorne über die Brust fallen. Doch dann durchfährt ein ungeahnter Schmerz sein Bein und bringt ihn rascher von diesen vom Hunger getriebenen Gedanken ab, als er überhaupt darauf gekommen war. Seine Miene verzieht sich etwas, als er die Luft scharf einzieht und automatisch mit einer Hand nach der schmerzenden Stelle greift... diese Hand, die ihm plötzlich so fremd ist, dass er beinahe wieder auf den Schmerz vergisst, der ihm gerade in den Schenkel gefahren. Was war das...? All die Narben, der halbe fehlende Finger... als er erneut an sich hinunter sieht, bemerkt er erst das wahre Ausmaß der Veränderung und zieht langsam die Brauen in Richtung Haaransatz. Sein Atem, der bislang ausgesetzt hatte, setzt nun wieder ein und beschleunigt sich etwas, als sich seine Gedanken überschlagen, sodass alle Fragen und möglichen Antworten in einen wilden Wirrwarr durch seinen Kopf purzeln und letztlich nicht mehr sind als ein Rauschen ohne Sinn und Worte. Er fühlt sich so mitgenommen, wie er sich kaum jemals gefühlt hat, und die Schmerzen in diesem Bein, das irgendwie seines ist und doch nicht, beenden die Wirrungen in seinem Kopf rasch wieder. Mit etwas zittrigen Fingern macht er sich daran, den verdreckten Verband zu lösen, um einen Blick darunter zu werfen... Wie auch immer er hier herein gekommen sein mochte, er musste wieder hinaus. Irgendwie...
Alaricus hätte sich gewünscht, er hätte den Verband lieber nicht gelöst. Ein käsiger Geruch steigt ihm in die Nase, und von seinem Vater hat er mal erklärt bekommen, dass so Wundbrand riecht. Die Verletzung ist tief, muss von einem Schwert stammen, das hindurch getrieben worden ist... die Wundränder sind ausgefranst, demnach muss die Klinge wohl gezackt oder mit Widerhaken versehen gewesen sein. Ziemlich üble Verletzung das, und wenn nicht bald etwas dagegen getan wurde, würde er entweder an einer Blutvergiftung sterben oder das Bein verlieren.
Dennoch, auch wenn die Schmerzen schier unerträglich sein mögen, er akzeptiert sie, und sie treten in den Hintergrund, als würde sie nur die zweite Geige spielen. Viel nagender ist da dieses Hunger- und Durstgefühl und dieses Gefühl einer tonnenschweren Last, die auf seinen Schultern zu liegen scheint. Für einen Moment hat er das Gefühl, als würde es ihn erdrücken; als würden die klammen Finger wieder zudrücken, doch es ist zu ertragen, es ist zu ertragen... Er muss es ertragen, er weiß es, denn irgend etwas sagt ihm, dass es seine heilige Pflicht ist, diese schwere Bürde zu tragen.
Momentan sitzt er mit dem Rücken an einer alten, steinernen Wand, von Moos bewachsen, das leicht im Dunkel fluoresziert. Vor ihm sind Gitterstäbe, denn die Zelle ist in zwei Teile unterteilt worden, so dass eine weitere Zelle direkt neben seiner ist. War da nicht eben was, dort hinten, in der Finsternis... eine Bewegung ? Zu weit oben für eine Ratte...
Alaricus gibt ein dumpfes "Umpf" von sich, als ihm der Gestank in die Nase steigt... er zieht den Nasenrücken etwas kraus und verengt die Augen abermals, während er sich die Verletzung ansieht, allerdings darauf verzichtet, daran herum zu drücken. Er atmet etwas flacher, um dem üblen Geruch einigermaßen zu entgehen und wendet schließlich bei den nicht gerade rosigen Aussichten auf eine Blutvergiftung oder ein einbeiniges Dasein den Blick mit leicht zusammen gezogenen Brauen ab. Er weiß zwar noch nicht, wie er es bewerkstelligen sollte, hier hinaus zu kommen, aber er wird sicher nicht untätig hier herumsitzen und darauf warten, bis er in diesem Drecksloch verrottet. Er schließt für eine Weile die Augen, während der Schmerz weiterhin in der zerfransten Wunde pocht, sein Magen rebelliert und er mehr und mehr das Gefühl gewinnt, als würde er Sand schlucken, wenn es sich nicht vermeiden lässt zu schlucken... Und dann auch noch diese plötzliche Last, dieser Druck irgendeiner Bürde... dieser Druck von Pflichten, die er nicht benennen kann... oder etwa doch? Er verharrt so eine Weile reglos mit geschlossenen Augen und etliche Male tief ein und aus atmend, bevor sich dieses Gefühl der Akzeptanz einstellt... ja, er kann es ertragen. Er kann den Schmerz ertragen, den Hunger, den Durst... diese Last. Er kann das alles ertragen und vermutlich noch mehr, denn er wird sich davon nicht in die Knie zwingen lassen, nicht aufgeben und tun, was auch immer er tun muss. Er war weder hier, um sich selbst beim Verrotten zuzusehen, noch um die Situation zu bedauern oder seinen Zustand. Oh nein... niemals. Nichts liegt ihm ferner als das. Er würde kämpfen, solange er zumindest den kleinen Finger krümmen konnte- vielleicht nicht unbedingt den halbierten, da gabs nämlich nicht mehr allzu viel zu krümmen. Aber es würde weitaus mehr brauchen, um ihn endgültig zu fällen, ihm den Lebenswillen, seine Hartnäckigkeit zu nehmen oder gar seinen Willen zu brechen. Er wird eines Tages einem Stamm angehören, der an der Spitze der Garou steht, an der Spitze von Kriegern, die zornerfüllt in den zerrissenen Teilen ihrer Feinde waten und besseres zu tun haben, als sich oder irgendetwas aufzugeben. Er wird einem Stamm von Führern angehören, die zu Recht führen, weil sie so sind, wie ein Garou sein sollte... weil sie die Vorbilder sind, die erwählten Könige, die Herrscher. Und beim Falken, er würde sich von nichts und niemandem davon abhalten zu lassen, dem gerecht zu werden, was er sein musste und wollte... Erfüllt von einem Aufwallen beinahe ärgerlichen Willens, der seinen miserablen Zustand in den Hintergrund rückt, schlägt er die Augen wieder auf, und wie auch immer diese im Moment aussehen mögen, so zeichnet sich darin nun wieder dieses energische Funkeln darin ab, das bislang auch immer in seinen eigenen gelegen hat... dieser Ausdruck von ungebändigter Lebenskraft und dem Willen, bis an die Grenzen zu gehen und wenn nötig darüber hinaus. So sehr er auch angeschlagen sein mag, dieser Wille wird ihn vorantreiben und ihn immer wieder aufrichten. Wegen des Drecks hier unten schließt er den Verband um die Wunde an seinem Bein letztlich wieder, als er dieser Bewegung gewahr wird... irgend etwas ist doch dort hinten. Er zieht leicht die Brauen zusammen und zieht dann das heile Bein an, um sich an der Mauer langsam hoch zu ziehen... beißt dabei etwas die Zähne aufeinander und kneift die Augen zusammen, Schmerz lass nach... nachdem er erst einmal steht und nicht mehr mit dem vermutlich von Hunger und Durst verursachten Schwindel zu kämpfen hat, bewegt er sich humpelnd oder vielmehr etwas einbeinig hüpfend auf diese Gitterstäbe zu, um heraus zu finden, was es mit dieser Bewegung auf sich hat
Als Alaricus schließlich an den Gitterstäben angelangt ist- eine schiere Weltreise mit diesem Bein- weicht er erschrocken zurück, da plötzlich etwas aus der Dunkelheit auf ihn zu gesprungen kommt und mit einem lauten, metallenen Geräusch an den Gitterstäben rüttelt. Er hört ein helles, irres Lachen, dann sieht er ein widerwärtiges Gesicht, dass eine Reihe von gelben, verfaulenden Zähnen preisgibt, ebenso wie zwei fahlgraue Augen und eine ziemlich auffällige, krumme Knollnase. Die rötlichen Haare des Mannes stehen ihm in alle Richtungen zu Berge, sein Kinn ist von schwarzen Stoppeln nur so übersät. Die Fetzen, die er trägt, sind beinahe nicht mehr als Kleidung zu erkennen, und er verbreitet einen atemberaubenden Gestank.
"Na, Silberschopf, endlich wach geworden, was??" ertönt die laute, kichernde und krächzende Stimme.
"Verschläfst die letzte Zeit, die du noch hast, dabei solltest du sie genießen! Viel hast du ja davon nicht mehr!" Ein lautes, völlig irres Lachen, als er ihm breiter als breit ins Gesicht grinst und dann wie wahnsinnig durch seine Zelle hüpft
Alaricus unterdrückt einen zähneknirschenden Fluch, dieser dumme Oberschenkel... der hat hier gar nicht aufzumucken. So langsam hat er sich sicher noch nie bewegt, aber immerhin- er kann sich noch bewegen, und das ist auch etwas wert. Als er durch die Gitterstäbe sieht und da plötzlich etwas auf ihn zuspringt, macht er einen kleinen, halben Satz zurück, den ihn das Bein damit dankt, dass er durch die Woge des Schmerzes bei dieser abrupten Bewegung beinah das Gleichgewicht verliert und sich auf den Hosenboden setzt, aber das kann er glücklicherweise gerade noch so verhindern. Er schnaubt kurz, aber erleichtert darüber, dass er nicht gefallen ist und sich dann womöglich etwas am Boden gewunden hätte, während er in diese Ruine von einem Gesicht blickt. Als sich der Mann nach seiner Bemerkung wieder entfernt und völlig durchgeknallt durch seine Zelle springt, folgt er ihm mit den Augen und betrachtet sich das, ehe er dann nach einem Räuspern aufgrund der trockenen Kehle meint "He... was soll das heißen, viel Zeit habe ich nicht mehr? Und wie komme ich eigentlich hierher? Und was heißt hier Silberschopf, wenn du meinen Namen kennst, kannst du auch den benutzen." Mittlerweile glaubt er ja, dass es ihn irgendwie an einen anderen Ort oder so etwas verschlagen hat, wo er nun in irgend jemandes Haut gefahren ist und sich so durchschlagen muss... um irgendwie eine Möglichkeit zu finden, wieder zurück zu kehren, denn anders kann er sich das ganze nicht erklären. Sein Nachbar hier scheint zwar schon zu viel Kerkerdunst und Rattendreck geschnuppert zu haben, doch das muss nicht heißen, dass er ihm nicht ein paar Auskünfte geben könnte...
Er kommt wieder leicht geduckt an die Gitterstäbe und umfasst sie mit seinen dreckigen Fingern, fährt an ihnen leicht auf und ab.
"Ich fass es nicht, ich fass es nicht! Fragt er doch tatsächlich, wie er herkommt!" Wieder ein irres Lachen, Herumgehüpfe durch die Zelle, bevor er wieder an die Gitterstäbe kommt und sein schmutziges Gesicht an die Stäbe drückt, so dass seines recht nah an dem von Alaricus ist.
"Was das heißt, willst du wissen?? Dir ist wohl auf all deinen Reisen dein Hirn verloren gegangen, was? Hihi... am Ende verpasst er noch seine eigene Hinrichtung!" Lachend rüttelt er an den Gitterstäben, bevor er dann kichernd zu den Wachen nach draußen kreischt:
"Hört, hört! Adalwulf von Lichtenstein kann sich nicht mehr an seinen Namen erinnern!! Ist das nicht gar köstlich! Was habt ihr mit ihm getrieben?"
Kurz darauf hört man ein lautes Knurren.
"Halt's Maul, alter, stinkender Sack. Hoffentlich krepiert der bald... kann sein Geschrei bald nicht mehr ertragen."
Ein Schlüsselklirren, dann eine zweite Stimme.
"Ach, der macht's bestimmt nicht mehr lang. Die Krätze hat ihn doch schon fast aufgefressen." Ein gemeinsames, fast lautes Lachen.
Alaricus weiß gerade nicht so recht, ob es nicht doch etwas unpassend ist, in Gelächter auszubrechen... die Situation erscheint ihm für diese Momente einfach als zu grotesk, aber er kann sich nicht helfen und muss dann kurz lachen... nein, das kann einfach alles nicht wahr sein. Reisen? Adalwulf von Lichtenstein? Hinrichtung? Sein etwas rauhes, leises Lachen verklingt schließlich unter einem Kopfschütteln zu einem kurzen Glucksen, ehe es völlig verstummt und nur noch ein leichtes Lächeln um seine Lippen herum zurückbleibt, das sich dort allerdings nicht allzu lange hält. Der ernste Ausdruck in seinen Augen straft das beinah heitere Lachen Lügen, denn eigentlich ist das ganze wahrlich in keinster Weise zum Lachen... er konnte nur einfach nicht an sich halten. Insgeheim dankt er dem Zellennachbarn für seine Auskunft, zumindest kennt er nun seinen momentanen Namen. Adalwulf von Lichtenstein... er denkt nach, ob er von diesem Mann einmal etwas gehört hat, vielleicht hat ihm ja der Fürst oder sein Vater etwas erzählt... vielleicht aber auch nicht, denn irgendwie hat er noch so gut wie gar keinen Einblick in die Geschichte, ob es nun die Garou im Allgemeinen, den Stamm oder besondere Mitglieder darin betrifft. Er blickt nebenher durch die Gitterstäbe, vielleicht kann man die Wachen irgendwo erkennen, die hier offenbar vor den Zellen herumstehen
Ja, der Name von Lichtenstein sagt ihm etwas... der Vorname allerdings nicht. Verdammt, er hätte wirklich besser zuhören müssen, als sein Vater ihm da irgendwas über seine Vorfahren erzählt hatte... was war das doch bloß? Im Moment kann er sich beim besten Willen nicht daran erinnern, was das gewesen sein könnte. Die Wachen kann er hier nicht sehen... sie stehen wohl etwas weiter hinten, nur die schweren Schritte kann er hören, die beständig in den Gängen auf und ab patrouillieren
Alaricus legt einen Daumen unter sein Kinn und kratzt dann mit den Fingern beinahe kraulend vorne etwas darüber, während er mit leicht zusammen gezogenen Brauen und etwas nach oben gerichtetem Blick über den Namen nachgrübelt... wirklich zu dumm, dass ihm dazu gerade partout nichts einfallen will, normalerweise hört er ja doch interessiert zu, wenn ihm etwas erzählt wird... Ausnahmen bestätigen die Regel und machen sich gerade unangenehm bemerkbar. Aber sein Unwissen lässt sich nun auch nicht mehr ändern, also muss auch so irgendwie gehen... er nimmt die Gitterstäbe in Augenschein, die sich nur zur Nachbarszelle hin befinden, oder ist seine Zelle auch nach vorne hin "offen"?

Auch nach vorne hin sind Gitterstäbe... keine Holztür oder dergleichen...
Alaricus fragt sich gerade, ob ihm eine Ratte munden würde... bei seinem momentanen Hunger wohl mit Sicherheit. Allerdings... wird er kaum in seiner Zelle herumhüpfen und auf Rattenjagd gehen, das würde vermutlich zu viel an Kraft kosten. Aber zu den frontseitigen Gitterstäben hinkt er in dem durch das Bein vorgegebene Schneckentempo, um dort die Hände an die Stäbe zu legen und hinaus zu blicken, in den Gang, der da liegen muss. Und... irgendwo müssten diese Gitter ja auch ein Schloss haben? Falls er noch über seine Verwandlungsfähigkeit verfügt, würden die Gitter vielleicht trotz seines Zustandes ein nicht allzu großes Problem darstellen, und vielleicht würde das auch der Wunde ihren Biss nehmen... aber das Risiko ist zu hoch, denn auch wenn er vielleicht auf diese Weise aus der Zelle käme, so würde er sich selbst in seiner Kriegsgestalt nicht lange gegen mehrere Wachen halten können... zudem weiß er nicht, wo er sich befindet und wie es hier sonst noch aussieht, welche Wege er nehmen könnte, würde er erst einmal hinaus gelangen....
Alaricus:
*aber warten, bis man ihn zur angekündigten Hinrichtung abführt...? Dabei werden sich wohl kaum bessere Möglichkeiten bieten...*
Alaricus:
*wenn er es mit Hinterlisten hätte, würde er nun vielleicht versuchen, auf irgendeine zurück zu greifen, Radau zu schlagen, sich tot stellen, damit man vielleicht die Zelle öffnet, um ihn rauszuschaffen oder so etwas... aber irgendwie liegt so etwas weniger in seinem Naturell. Angesichts der gegebenen Umstände... sollte er aber vielleicht damit anfangen, etwas Neues auszuprobieren, denn wie viele Möglichkeiten hatte er schon?*
Leider ist die Zellentür schon so gemacht, dass man von Innen nicht an das Schloß gelangt, sonst könnte vermutlich jeder versuchen, an der Zellentür herumzudoktern. Und kaum will er seine Gedanken weiter verfolgen, hört er, wie die Schritte wieder näher kommen, dann sieht er eine Wache in einer matten Schuppenrüstung, die ihm durch die Stäbe mit der Hellebarde einen Krug Wasser und eine Schale mit undefinierbaren Inhalt hinein schiebt. "Hier, friss du Hundesohn eines Verräters. Friss dein letztes Mahl, bevor du am Galgen baumeln wirst." *lachend und verächtlich*
Alaricus verkneift sich ein "Das werden wir ja noch sehen" und lässt erst einmal von seinen bisherigen Gedanken ab.... Wasser. Ein ganzer Krug voll. Vermutlich ist es brackig, abgestanden, alt... was auch immer, aber es ist immerhin Wasser, und bevor die Wache aus einem kleinen sadistischen Anfall heraus die Gelegenheit hat, den Krug vielleicht vor seinen Augen umzustoßen, stürzt er sich beinahe darauf und schnappt ihn sich, als wäre es irgendein ganz besonderer Schatz. Er atmet kurz unmerklich durch, bevor er den Krug ansetzt und dann langsam das Wasser in seine Kehle laufen lässt, obwohl er es am liebsten in einem Zug in sich hinein schütten würde
Nunja, wenn es zumindest Wasser wäre.... aber es ist warm, schmeckt seltsam und riecht eindeutig nach etwas, was Alaricus normalerweise ausscheidet. Die Wache verzieht keine Miene, als er das so in sich hineinschüttet, doch dann lacht sie laut und hämisch, verschwindet mit schweren Schritten um die nächste Ecke...

Alaricus hatte es wohlgemerkt langsam begonnen zu trinken. Allerdings wird ihm seine Nase ziemlich rasch melden, was es in Wahrheit ist, und als er bemerkt, was hier eigentlich gerade gespielt wird, verzichtet er gerne darauf, und leert den Krug in einer schwungvollen Bewegung in Richtung der Wache aus. Wenn er den Kerl nicht mehr erwischt hat, dann muss man es wohl Pech nennen.... zu ändern ist es nun auch nicht mehr
Alaricus:
*spuckt kurz aus... widerlich, wirklich. Na gut, als Wolfsrüde schnuppert man vielleicht an der ein oder anderen Hinterlassenschaft, vor allem wenn die von Fähen sind, aber Menschenpisse? Widerliche, ekelerregende Menschenpisse??*
Er trifft ihn nicht mehr... sondern lediglich die gegenüberliegende Wand des Ganges, die nun gut duften dürfte...
Alaricus muss... gelinde gesagt, ziemlich an sich halten, und zwar weniger wegen der Enttäuschung, dass das vermeintliche Wasser sich als etwas anderes entpuppte, sondern vielmehr deswegen, WAS man ihm da vorgesetzt hat.... erniedrigend, demütigend, ganz so, wie es wohl sein sollte, und dieser Umstand bringt sein Blut in Wallung und lässt seine Augen vor nur halb zurück gehaltenem Zorn aufglühen... dabei weiß er ganz genau, dass ihn seine Wut kaum weiterbringen wird, sondern ihn vielmehr blind machen würde, seine Aufnahmefähigkeit trüben würde. So steht er eine Weile nur da und starrt die gegenüberliegende Wand an, bis er sich wieder besser im Griff hat

Alaricus:
*der Schale würdigt er keinen Blick, die Ratten freuen sich sicher darüber*
Oh ja, die freuen sich... denn kaum steht die Schale länger als ein paar Minuten dort, tummelt sich auch schon eine ganze Traube der niedlichen, kleinen Tierchen dort. Sein Zellennachbar kichert wieder leise aus seiner dunklen Ecke heraus, was in ein röchelndes Gurgeln untergeht, als er schließlich Husten muss. "Gefällt dir nicht, was ? Hehe... ja, schon dumm, von seinem hohen, güldenen Ross gestoßen zu werden und im Dreck zu landen.... aber das hättest du vorher wissen sollen, mein Lieber...."
Wieder ein Lachen, dann springt er wieder wie ein verrückt gewordener Hofnarr durch seine Zelle.
"Seht ihn an, seht ihn an! Verehrt und angespieen, bekannt im ganzen Land! Von allen... VERRÄTER genannt!!" Lacht er laut, ehe er mit einem irren Kichern in der Dunkelheit seiner Ecke verschwindet, um unverständliches, wirres Zeug vor sich hin zu murmeln.
Alaricus behält seinen geknirschten Fluch bei sich und hinkt dann wieder zu der steinernen Mauer zurück, die der Zellenfront gegenüber liegt, gegen die er sich erst einmal lehnt und die Arme verschränkt, während er mit zusammen gezogenen Brauen vor sich auf das dreckige Stroh starrt. Er schenkt den ganzen Schmerzen in seinem Leib so wenig Beachtung wie möglich- was man ignoriert, verliert oft seine Schwere- und nimmt die Gedanken von zuvor wieder auf, wälzt sie herum, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Vermutlich würde ihm letztlich nichts anderes übrig bleiben, als bis zu dem Zeitpunkt zu warten, an dem man ihn abführen wollte... und dann einen Ausfall zu versuchen. Denn alles andere... war genauso gewagt, genauso risikobehaftet, und sein Leben hängt ganz offensichtlich nur noch an einem seidenen Faden. Verräter... hatte die Wache zuvor Verräter gesagt? In diesem Moment legt sein Zellennachbar wieder los, und er beachtet ihn erst einmal nicht weiter- bis auch er ihm ein "Verräter" an den Kopf wirft. Langsam hebt sich sein Blick und richtet sich wieder zur Nachbarszelle hin, auf den verwirrten, herumtanzenden Schatten, bis sich dieser wieder in seine Ecke zurückzieht. Verrat... wenn es nur eine Möglichkeit dazu gäbe, die Hintergründe zu erfahren. Er konnte sich kaum vorstellen, dass er oder vielmehr Adalwulf zu Recht hier in dieser Zelle hockte, also galt es, diese Sache aufzuklären. Sicher kein übler Gedanke... sah man von dem klitzekleinen Umstand ab, dass er hier eingekerkert war und scheinbar die ganze Stadt oder wo auch immer er sein mochte viel zu gut um diesen... Verrat bescheid wusste und dementsprechend reagieren würde. Da sein einziger Ansprechpartner der irre Mann aus der Nachbarszelle war, bewegte er sich an die Gitterstäbe zu dessen Zelle hin, noch immer hineinblickend. "Was meinst du schon von Verrat zu wissen... was weißt du schon über die wahren Hintergründe?"
Alaricus .oO("Gefällt dir nicht".... welch Untertreibung. Auch wenn ich eigentlich nicht ich bin...)
Man sieht seine fahlen Augen in der dunklen Ecke auffunkeln, ehe er wieder seine gelben Zähne entblößt und ein erheitertes Grunzen von sich gibt. "Oh, ich weiß sehr viel über Verrat, Silberschopf... ich sitze schließlich nicht umsonst seit Jahren hier, verstehst du ?" Ein leises Kichern. "Aber du.... dein Verrat war exzellent, an Genialität schon gar nicht mehr zu übertreffen!" Er steht auf und verneigt sich tief. "Meine Hochachtung, ehemaliger Kronprinz von Lichtenstein... Ihr habt meine Bewunderung, auch wenn Ihr diese nicht mehr allzu lange genießen dürft." Ein geröcheltes, leises Lachen. "Hörst du sie? Wie sie deinen Namen rufen, draußen? Ja, ich kann sie schon hören.... ich höre sie jedes mal, jedes mal! Die Menge, wie sie danach giert, einen zuckenden Leib an einem Seil hängend zu sehen... nach Blut giert, dem Kopf, der in den Korb fällt..." Die gelben Zähne grinsen ihm weiterhin entgegen.
Alaricus würde sich vielleicht in seinem persönlichen Stolz zutiefst gekränkt fühlen, bei all den Possen, die der andere über seine Wenigkeit reißt und sich dementsprechend früher oder später nicht mehr beherrschen können... so jedoch gilt das ganze eigentlich Adalwulf, in dessen Haut er irgendwie geraten ist. Da er sich selbst bis zu einem gewissen Grad noch von diesem unbekannten Vorfahren zu trennen weiß, bleibt er auch weiterhin ruhig, obwohl ihn das ganze gewiss nicht kalt lässt und ohne Nachhall von ihm abprallt- wie könnte es auch, angesichts der anstehenden Hinrichtung und all den Vorwürfen, die auf ihn einstürmen. Er weiß nicht, wie Adalwulf reagiert hätte, wie er gehandelt hätte... er kann nicht auf irgendein Wissen in dieser Hinsicht zurückgreifen, das ihn leiten würde, ihm vielleicht ein wenig Halt und Anlehnung bieten würde. So bleibt ihm letztlich nur er selbst, auch wenn so manches von Adalwulf sein eigenes Wesen zu durchdringen scheint, als würden sich zwei Seelen einander annähern oder gar berühren... denn sonst hätte er nach seinem Aufwachen kaum diese Last verspürt, die ihn schier niederzwängen wollte. Kronprinz...? Vielleicht irgendeine himmelschreiende Intrige... Eine leichte innere, aufgeregte Unruhe erfasst ihn, wie meist, wenn er sich in den Kopf gesetzt hat, dieses oder jenes herauszufinden, den Oberflächlichkeiten auf den Grund zu gehen und wenn sich die Fährten entziehen wollten, schwer oder so gut wie gar nicht fassbar waren. Für einen Moment hält er tatsächlich lauschend inne, als wollte er sich Gewissheit darüber verschaffen, ob man tatsächlich irgend jemandes Rufe hören konnte, die Menge sich bereits in Stimmung brachte. Dann jedoch schüttelt er kurz den Kopf und sieht sein Gegenüber an. "Mein Ruf hat es doch tatsächlich geschafft, bis hier hinunter in deine jahrelang eingesessene Zelle zu dringen... dabei wüsste ich nicht, was an diesem Verrat so 'genial' gewesen sein soll. Genauer gesagt... weiß ich nicht im geringsten, wie es dazu kam, dass man mir 'Verrat' vorwarf..."
Er lacht laut, seiner Meinung nach ist dieses Verhalten an Dreistigkeit gar nicht mehr zu überbieten. "Du weißt es nicht...? Du WEISST ES NICHT ??" kreischt er laut, was erneut in einem röchelnden Lachen untergeht. "Er wollte den König ermorden, seinen Vater, und er weiß nicht, was man ihm vorwirft!" Bei seinem Gezappel könnte man meinen, er schlägt gleich ein paar Saltos. Ja, Alaricus kann sie nun hören....die Stimmen, die Menschenmassen, die laut und verächtlich seinen Namen rufen....
Alaricus .oO(Vatermord...? Beim Falken... was ein Vorwurf.)
Alaricus beachtet die neuerlichen Possen, die Erheiterung des anderen kaum... das war wirklich ein Vorwurf, der einen mit einem Schlag niederstrecken konnte. Übel... war noch gar kein Ausdruck dafür. Für ein paar Momente wollte sich die Hoffnung, dass er hier herauskommen würde, dass er einen Weg finden würde klammheimlich davonstehlen, wollte ihm den Mut nehmen und ihn sich in das scheinbar Unvermeidliche fügen lassen... doch rasch hielt er sie zurück, diese Hoffnung. Er war nicht hier, um zu straucheln oder gar zu fallen, nein... er würde das nicht zulassen, und so berief er sich wieder auf diesen hartnäckige Überlebenswillen, den er zuvor bereits in sich erweckt hatte. Denn was er brauchte, war weniger Hoffnung denn einen starken Willen, und diesen würde er beweisen müssen, unter diesen widrigen Umständen, die sich vor ihm auftürmten wie ein Gebirgsmassiv vor einem Kiesel. Klein und nichtig kam er sich vor, doch er war in keinster Weise bereit dazu, sich aufknüpfen zu lassen, oh nein. Sie wollten einen Verräter am Galgen baumeln sehen, und er würde ihnen einen Adalwulf geben. Doch sicher nicht so, wie sie es erwartet hatten... er schwieg nun erst einmal, das Gewicht gänzlich auf das heile Bein verlagernd und Hunger sowie Durst zurückhaltend, während er im Hintergrund die Menge rufen hört. Beschimpfte sie ihn vielleicht zurecht? Nein... nein, das konnte nicht sein. Denn wenn er verdient hätte, was bevor zu stehen schien, dann wäre er doch sicher nicht hier... irgendwo, irgendwo musste es ein Unrecht, eine gewaltige Lüge geben, in die er- Adalwulf- verstrickt worden war. Er atmet tief durch, drängt das Geschrei, die Rufe zurück, die ihn kurz schaudern lassen, und hört dann in sich hinein... versucht gewissermaßen, vielleicht irgendeine Verbindung zu finden. Gibt es irgendwelche Schuldgefühle...? Vielleicht Zorn auf jemanden... irgendwelche Gefühle zu dem, den er angeblich ermorden wollte...? Er glaubt nicht wirklich, dass er der Sache so auf den Grund gehen kann, aber er weiß nicht, durch welches Geschick er hierher gekommen ist, und vielleicht spielt ihm irgend etwas einen Streich, will, dass er einen Fehler macht, das Unrecht hier noch verstärkt. Er sucht nach Gewissheit... nach der Gewissheit darüber, dass die Anklage falsch ist, und so sucht er fieberhaft nach Empfindungen, die nicht die seinen sind und ihm vielleicht darüber Aufschluss geben können...
So sehr er auch in sich hineinhören mochte.... da ist nichts. Er kann beim besten Willen nicht sagen, ob er hier zu Unrecht drin sitzt. Aber sind seine Gedanken nicht richtig...? Würde er hier drin sitzen, wenn er wirklich schuldig ist? Und da ist noch etwas anderes... ein dringendes Bedürfnis, etwas erledigen zu wollen. Etwas ist da... etwas muss er unbedingt tun. Er muss hier raus... er darf nicht sterben, ehe er seine Aufgabe vollbracht hat. Aber was ist das nur... was ist das nur in ihm, was ihn ständig versucht, an etwas zu erinnern ? Er weiß es nicht.... vielleicht noch nicht.
Schritte.
Sie kommen näher. Schwere, schlurfende Schritte, von vielen Füßen und schweren Rüstungen. Es ist Zeit. Er spürt, dass nun der Augenblick gekommen ist, in dem sie in holen werden.
Alaricus schnaubt kurz, als ihn sein Empfindungsvermögen im Stich lässt... aber dann, dieser Drang... es gibt noch etwas zu erledigen. Etwas, von dem er noch nicht weiß, was es ist... aber es reicht. Es reicht, um seine Bedenken in den Hintergrund zu drängen, ihnen keinen Raum mehr zu lassen und so zu verhindern, dass sie ihm im Weg stehen. Er nimmt diesen Drang, diese innere Unruhe... diese Aufgabe zum Halt. Sie wird ihn führen bzw. ihn weiter treiben, nicht zulassen, dass er nachlässt, wenn es doch zuviel zu werden scheint und vielleicht sein Wille doch etwas erschüttert wird. Er hat eine Aufgabe zu erledigen, irgendwo muss etwas dafür getan werden. Und dafür wird er kämpfen- und leben. Auch wenn das gewiss nicht der einzige Grund ist, aber im Moment erscheint ihm dieser hier am wichtigsten. Er lauscht den Schritten, die näher kommen, dem Stampfen der Rüstungen. Wie viele es wohl sind? Es lässt sich wohl nur schwer einschätzen. Es gibt keine Trümpfe, die er ausspielen könnte, außer vielleicht einen. Und selbst dieser hilft ihm vielleicht nicht im geringsten. Aber er wird es versuchen, er muss... und er will. Er verharrt weiterhin an der Wand, die Augen halb geschlossen und den Kopf etwas gesenkt, scheinbar selbstversunken und auf nichts achtend. Doch in Wahrheit versucht er sich zu sammeln, jede Faser dieses geschundenen Körpers ist bis zum Zerreißen gespannt, während die Aufregung ihm das Blut durch die Adern hetzt, er einige Momente lang glaubt, seinen eigenen Herzschlag hören zu können... doch dann wird es wieder still in ihm. Ruhe... trügerische Ruhe, die ihn erfasst, seine Anspannung tarnt. Ein grimmiges Leuchten hinter den halb gesenkten Augenlidern, ein unmissverständliches Anzeichen für das, was in ihm vorgeht, was er zu tun bereit ist. Doch im Moment der sich nähernden Schritte ist er nicht mehr als der Schatten eines heruntergekommenen Kronprinzen, der seinen letzten Gang antreten soll
Ein Schlüsselrasseln, dann sieht er sie. Mindestens Sieben Männer in schweren Platten- und Schuppenrüstungen, mit Helmen, Hellebarden und Bardiken. Laut quietschend und mit einem protestierendem Laut, als wolle sie Alaricus vor dem Unrecht bewahren, wird die eiserne Tür geöffnet. Die schwer gepanzerten und bewaffneten Männer sehen ihm grimmig entgegen, bis einer von ihnen mit seiner Bardike erst auf ihn, dann auf den Gang deutet.
"Hinaus mit dir, Hundesohn. Damit du deine gerechte Strafe empfangen kannst."
spricht er mit kratziger Stimme. Alles wirkt aussichtslos. Die Männer, so viele, deren Rüstungen er selbst mit seinen Klauen nicht durchschlagen könnte, und deren blitzende, tödliche Waffen, die sofort zustoßen, sollte er auch nur eine falsche Bewegung wagen.
Aber etwas sagt ihm, er wird heute nicht sterben. Nein. Er weiß es. Er wird dort nun hinausgehen, aber er wird nicht sterben
Alaricus verharrt noch eine Weile an der Wand, so wie er bislang an ihr verweilt hat, mit halb geschlossenen Augen und leicht gesenktem Kopf. Eine Weile lang scheint es, als hätte er überhaupt nicht mehr vor, sich zu regen, doch dann hebt er langsam das Haupt und sieht die Gruppe von Wachen, sieht, wie viele es sind. So wenig Aussicht auf ein Gelingen des ganzen... und doch ist er bereit dazu, es zu versuchen, und schon spannt er sich, scheint sich ein wenig zusammen zu ziehen- bis ihn plötzlich etwas zurückhält, ihm Einhalt gebietet. Diese Gewissheit, die sich plötzlich in ihm festsetzt, dass dies nicht der letzte Gang sein wird, selbst wenn er jetzt nicht versucht, sich durch zu schlagen. Es verwundert ihn, und für wenige Momente zögert er... doch dann beschließt er, diesem Wissen zu vertrauen, und er löst sich von der Wand, um auf die Gitter zuzuhumpeln, auf die Wachen... hinaus in den Gang, wie sie es befohlen haben
Alaricus:
*es gibt wohl Dinge, die sich nicht hinterfragen lassen, und er muss sie akzeptieren... ihnen ein gewisses Maß an Vertrauen entgegen bringen, denn es scheint, als würde er schneller verloren sein, als ihm lieb ist, wenn er es nicht tut*
Alaricus .oO(aber worauf sich diese "Gewissheit" begründet...? Vielleicht ein kleiner Überfall auf die Wachleute von irgendwelchen "Verbündeten".... es lebe die Phantasterei.)
Alaricus: *wappnet sich zumindest innerlich gegen die Stiche und Rempler, die man ihm vermutlich zuteil werden lässt*
Unsanft werden seine Hände auf seinem Rücken mit einem Seil verschnürt, und kurz darauf sticht ihm einer der Männer in den Rücken, um ihn voran zu treiben, durch den Gang, die Verließe und schließlich die Treppe nach oben, ins Licht.
Dieses Licht, so grell... es schmerzt in seinen Augen, denn so lange hatte er kein Tageslicht mehr gesehen, und doch sehnt er sich danach so sehr wie ein Verdurstender nach Wasser. Es ist ihm, als würde es ihn gänzlich durchströmen, mit neuer Kraft erfüllen, in jede Pore seines Körpers dringen.
Doch er hat nicht viel Zeit, um sich an diesem Gefühl zu erfreuen, denn die johlenden Schrei der Menschenmassen, die sich draußen im Burghof zusammen gefunden zu haben um der Hinrichtung des Kronprinzen beizuwohnen, reißen in wieder in die Realität. Er wird vorbeigeführt an einem Wagen, dann direkt durch die Menschen hindurch, die ihn bespucken, bewerfen, mit Steinen, Unrat und faulem Essen. Sie beschimpfen ihn, spotten und lachen ihm ins Gesicht. Speichel trifft seine Augen, so dass er für einige Momente sich von den Wachen blind führen lassen muss, und als er wieder sehen kann, steht er vor den hölzernen Treppen, die zu dem breiten Podest hinaufführen, an dem der Galgen befestigt ist. Langsam bewegt sich die Schlinge im Wind, hin und her, hin und her...
Dann ein Stich in den Rücken, er geht die Treppen hinauf, wird direkt vor die Schlinge gestellt, an dem ein schwarz gekleideter Mann mit einer ebenso schwarzen, ledernen Kapuze steht, so dass er dessen Gesicht nicht sehen kann.
Einer der Wachen, wohl der Hauptmann, tritt schließlich vor und sorgt mit lauter Stimme für Ruhe.
"Kronprinz Adalwulf von Lichtenstein ist des versuchten Mordes und des Hochverrates am König zum Tode verurteilt. Ihm wurde ein gerechter Prozess zuteil, und das Volk entschied sich für den Tod durch die Schlinge." Einen Moment schweigen, während alle Augen auf ihn gerichtet sind.
"Adalwulf von Lichtenstein, habt Ihr noch etwas zu sagen, bevor ihr Eure gerechte Strafe empfangen werdet ?"
Alaricus spannt die Hände etwas an, als sie ihm verschnürt werden, versucht wohl beinahe instinktiv ein wenig Raum zu schaffen, damit das Seil nicht ganz so straff sitzt, wie es sitzen sollte. Er kneift die Augen zusammen, während er die Treppe hinaufgeht und das Licht ihn zu blenden beginnt, und doch... nach der scheinbar so langen Zeit der Dunkelheit kommt es einer Linderung gleich, und er begrüßt dieses Licht, nimmt es auf, saugt es beinahe auf wie ein trockener Schwamm das Wasser. Alles scheint ihm so seltsam... unwirklich, als würde er auf einem Balkon stehen und das ganze von dort oben aus beobachten, als würde die Wirklichkeit an ihm vorüber ziehen, ohne dass sie ihn zu kümmern hätte. Er humpelt voran, hin und wieder etwas stolpernd, doch so aufrecht wie es ihm möglich ist, als gälte es, sich selbst angesichts der Anfeindungen und den ihn treffenden Unrat seine letzte Würde zu bewahren... Als gäbe es keine andere Möglichkeit des Auftretens für ihn als diese eine, ungebrochene, ganz egal, was geschieht. Er erduldet diesen Gang durch die Menge, erträgt diese Erniedrigung mit regloser Miene, diese anhaltenden Demütigungen die seinen Stolz benagen und reizen, einen hintergründigen Zorn entfachen. Er erduldet dieses Gefühl, das ihm vorkommt, als würde beständig ein Tropfen Wasser in eine offene schwärende Wunde tröpfeln und sie vergrößern. Er erträgt es... und muss sich doch zurückhalten, um sich nicht zu irgend etwas hinreißen zu lassen, denn ein Teil von ihm schreit geradezu danach, dem Druck nachzugeben, sich auf seinen Zorn zu besinnen und ihn nach vorne springen zu lassen, reißend, todbringend, vernichtend. Vermutlich nur, um dann von Pfeilen oder Schwertern oder anderen Dingen gespickt zu werden. Schließlich steht er da, über allen, am Galgen, vor der Schlinge, unter ihm die Menschenmenge, die es schon gar nicht mehr erwarten kann, ihre tägliche Portion an sadistischer Belustigung zu erhalten. Letztlich bleibt sein Blick an der Wache hängen, die zu ihm spricht. Gerechter Prozess? Was sollte er dazu sagen, wo er absolut nichts dazu zu sagen wusste? Was würde ihm eine provozierende, dreiste oder sonstige Äußerung bringen? Nichts... gar nichts. Vielleicht wäre da noch die Möglichkeit um irgend eine letzte Sache zu bitten, doch auch dabei wüsste er nicht, worum er bitten sollte. Was im Bereich des Möglichen war. Zuvor... da hatte er gewusst, er würde nicht sterben. Doch nun schien sie wieder fort zu sein, diese Gewissheit, vielleicht hatte sie ihn auch getäuscht, vielleicht war er einer Art Versuchung erlegen, einer blauäugigen Naivität. Er schwieg, bei diesen Gedanken beinahe schon wieder die Worte des Hauptmannes vergessend. Nur noch wenige Sekunden. Zu wenig für lange Überlegungen, die noch zurückhielten, was sich längst in ihm losreißen wollte. Der Wolf wollte nicht länger warten, ob nicht im letzten Moment noch irgendein Wunder geschah und ihm die Haut rettete. Er wollte sein Schicksal selbst in die Pfoten nehmen, er wollte leben, es zumindest versuchen. Er wollte endlich kämpfen, auch wenn es das letzte war, was er tun würde. Doch die Aufgabe... diese Aufgabe. Der innerliche Kampf hielt an- und den Wolf, den Zorn noch zurück. Sekunden... es waren wohl nur noch Sekunden
Als Alaricus schweigt, sieht ihn der Hauptmann nur noch kurz an, dann tritt er zurück. Der Kerl mit der schwarzen Haube tritt nun hinzu, legt ihm fast zärtlich die Schlinge um den Hals und zieht sie zu. Ein unangenehmer Druck breitet sich nun auf seinem Hals aus, der ihm erbarmungslos die Kehle zuschnürt, obwohl er noch mit beiden Beinen auf dem hölzernen Boden steht. Irgend etwas tut der Henker dort kaum spürbar an seinen Fesseln... sie lockern sich, so dass es nur eines kräftigen Ruckes bedarf, um sie zu sprengen.
Aber da ist wieder diese innere Stimme. Noch nicht....
Alaricus Blick gleitet über die Menge, die nun wieder lauter wird, hier und dort hört man ein Johlen. Dort hinten... etwas abseits, zu seiner rechten Seite, dieser Mann... diese Erscheinung. Dieses schwarze Pferd, auf dem er sitzt, dessen Zaumzeug... es kommt ihm so bekannt und vertraut vor. Sein schwarzer Überwurf weht leicht im Wind, während das Gesicht des Mannes von einer tief in die Stirn gezogene Kapuze bis zum Kinn verhüllt wird. Leicht hebt sich die Kapuze, und zwei stechende, dunkle Augen sehen ihn unter den Brauen hervor an, vermitteln ihm Zuversicht.

Zu seiner linken, dort hinten, an diesem Wagen... ebenfalls eine Gestalt, jedoch auf einem Schimmel und einem hellen Überwurf und heller, tief hängender Kapuze. Er kennt sie... ja, er kennt sie. Wie oft hatte er sie nun schon gesehen, und wie sehr vertraute er ihr. Da war-
Dann das hölzerne Geräusch, als ihm der Boden unter den Füßen weggezogen und die Klappe geöffnet wurde. Ein lautes Johlen geht durch die Menge, als er den Ruck spürt, der durch seinen Hals und seinen Nacken schießt. Aber er hält nicht lange an, denn in diesem Augenblick hört er das laute Flirren, als das Seil von irgend etwas durchtrennt wird. Er kann noch sehen, wie die dunkle Gestalt dort hinten mit glühenden Augen einen mächtigen, schwarzen Bogen senkt, dann geht plötzlich alles ganz schnell.
Die Menge vor ihm teilt sich plötzlich, als der Mann auf dem Schimmel herangeprescht kommt, durch die Menge stobt und es scheint, als wären sie nichts weiter als kleine Holzpuppen. Die Menschen scheinen ihn und das Pferd nicht zu berühren, als wäre eine unsichtbare Wand um sie herum. Pfeile beginnen auf den Reiter hinabzuhageln, doch kurz vor ihrem Ziel prallen sie ab und fallen zu Boden.
"Adalwulf!!!" schreit die helle Gestalt seinen Namen, die nun an dem Podest vorbeiprescht und ihm eine weiß behandschuhte Hand entgegen hält, mit weit geöffneten Augen, die verraten, wie sehr er hofft, dass er sie ergreifen wird.
Alaricus hält kurz den Atem an, als man ihm die Schlinge um den Hals legt und sie zuzieht, das Seil an seinem Hals kratzt und er nur noch ein winziges Stück davon entfernt ist, sich- die Fesseln. Mit einem Ruck wird der Wolf innerlich zurück gerissen, als er spürt, wie der vermeintliche Henker die Fesseln lockert, wie sich eine Ahnung in ihm breit macht, vor der weder seine Wut noch sein innerer Kampf, seine Zweifel bestand haben. Noch nicht... noch nicht. Die Zeit zählt nicht mehr, die Sekunden. Plötzlich ist sie unwichtig, und sein Blick geht abermals über die Menge. Und dort... da hinten. Die Gründe seiner Gewissheit, eines Wissens, das nicht ihm selbst entstammt, denn er kennt diese Leute nicht... er nicht, aber Adalwulf. Und er, der er halb er selbst, halb Adalwulf ist, vertraut abermals, wartet... wartet, nun wieder in die Gewissheit gebettet, dass er nicht sterben wird. Nicht hier, nicht heute, nicht jetzt an diesem Galgen. Der Ruck, das Johlen der Menge- es währt zu kurz, als dass sich sein Instinkt noch einmal aufbäumen könnte, und kurz darauf, nach diesem Flirren, fällt er mit einem Aufkeuchen auf das Podest. Für wenige Momente verharrt er so, halb auf den Knien, die Handflächen auf den Planken... den Strick um den Hals hängend und den Kopf etwas gesenkt, sodass das lange, mit geflochtenen Zöpfen versehene Haar über die breiten Schultern nach vorne fällt und das Gesicht mit den etwas geweiteten Augen verbirgt, während er sich des Schmerzes erwehrt, der bei dem Aufkommen durch seinen Schenkel zuckt. Schnell... schnell nun. Mit zusammen gebissenen Zähnen richtet er sich wieder auf, jetzt ist die Zeit gekommen, in der jeder Lidschlag wirklich zählt, und nun sieht er, wie der Schimmel auf ihn zuprescht, an das Podest heran. Es braucht keinen hoffenden Blick, um ihn dazu zu bewegen, nach dieser Hand zu greifen... er fixiert sie, konzentriert sich auf sie, um den rechten Moment abzuwarten, vor zu schnellen und sie fest zu packen. Wenn nicht jetzt, dann nie
Die Hand samt Reiter und Pferd kommen immer näher.. noch ein Stück, noch ein kleines Stück... dann spürt er, wie seine eigene vorschnellt, die des Reiters packt und wie sie ihn mit einem heftigen Ruck hinter sich aufs Pferd befördert. Ein heißer Schmerz zuckt durch sein Bein, als es sich um den runden Pferdebauch legt. Die Menge tobt, kann es nicht glauben, dass sie ihrer Belustigung beraubt wird, doch sie muss mit ansehen, wie der weiße Reiter den verurteilten Prinzen fortbringt. Schließlich prescht ihr auf das sich schließende Burgtor zu, gefolgt von einem schwarzen Schatten mit wehendem, nachtfarbenem Umhang, der hier und dort herannahende Pfeile mit einer Klinge abwehrt, so gut es geht. Das Glück ist auf eurer Seite, denn ihr schafft es gerade noch, hinauszustürmen, als das Fallgitter hinter euch rasselnd zu Boden gelassen wird und sich mit einem lauten Krachen schließt. Weiter geht es, immer weiter... die Beine des Schimmels greifen weit aus, die Nüstern sind gebläht, während ihn sein Reiter erbarmungslos vorantreibt, mit lauten Rufen. Das weiße Haar seines Vordermannes schlägt Alaricus dabei ins Gesicht, und er kann hinter sich ein Surren hören, dann ein Aufstöhnen... schließlich schließt der schwarze Reiter zu euch auf, so dass er sehen kann, dass ein Pfeil aus seiner Hüfte ragt, doch der grimmige, düstere Blick lässt keinen Schmerz erkennen.
Immer weiter geht es, weiter... Landstriche rasen an euch vorbei, Häuser, Bäume, Menschen. Dort hinten, am Horizont, zeichnet sich eine dunkle Linie ab. Ihr haltet darauf zu, als gäbe es nichts anderes auf der Welt, nichts von Bedeutung, nur diesen Wald, den er zu erreichen gilt.
Alaricus überkommt ein Gefühl der Geborgenheit, des Aufatmens. Die Aura seines Vordermanns erfüllt ihn mit Frieden, Vertrauen. Endlich, endlich war er bei seinem Rudel...

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